Erfurt. Thüringen will das Infektionsschutzgesetz mit der umstrittenen Notbremse im Bundesrat passieren lassen. Das Gesetz hätte auf das Land mit der derzeit bundesweit höchsten Sieben-Tage-Inzidenz jedoch erhebliche Auswirkungen.

Das Infektionsschutzgesetz mit der umstrittenen Bundes-Notbremse wird in Thüringen gravierende Auswirkungen haben. Das gelte vor allem für Schulen und Kitas, die in vielen Kreisen geschlossen werde müssten, wenn das Gesetz wie erwartet in dieser Woche beschlossen wird, sagte am Dienstag der für Bundesangelegenheiten zuständige Staatssekretär Malte Krückels. Alle aktuellen Entwicklungen im Corona-Liveblog

Thüringen hat die bundesweit höchste Inzidenz mit aktuell 246 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen. Das Land werde sich der bundesweit geltenden Notbremse zur Pandemie-Eindämmung auch deshalb nicht verweigern. Die Landesregierung wird laut Krückels im Bundesrat Ende der Woche keinen Antrag auf ein Vermittlungsverfahren stellen oder unterstützen. Darauf habe sich das Kabinett verständigt.

"Wir gehen davon aus, dass das Gesetz im Bundesrat durchgeht", sagte der Staatssekretär. Das beziehe sich auf die Fassung mit den Korrekturen der Bundestagsausschüsse, die unter anderem die Eröffnung der Bundesgartenschau in Erfurt mit Corona-Tests für Besucher ermöglichen würde.

Landesverordnung soll angepasst werden

Die Landesverordnung würde kurzfristig an die Vorgaben des Gesetzes angepasst, wenn es in Kraft getreten sei. Regelungsbedarf gebe es dann auch bei der Notbetreuung der Kinder in der Mehrzahl der Kreise. Bildungsminister Helmut Holter (Linke) werde sich dazu an diesem Mittwoch im Landtag äußern.

Im Infektionsschutzgesetz ist jetzt vorgesehen, dass Schulen ab einem Inzidenzwert von 100 in einem Landkreis oder einer Stadt nur noch Wechselunterricht anbieten sollen; ab 165 ist Präsenzunterricht untersagt. Derzeit können in Thüringen noch die Kreise mit Blick auf Inzidenzwerte und die regionale Lage über Schul- und Kita-Angebote entscheiden.

Elternvertreter reagieren mit Unverständnis

Thüringens Landeselternvertretung reagierte mit Unverständnis. "Die Zahlenspiele aus Berlin verstehen wir nicht mehr", teilte das Gremium mit. Seit Monaten werde der Ruf nach bundeseinheitlichen Regelungen immer lauter. "Doch was uns jetzt aus Berlin erreicht, spiegelt die Bedingungen vor Ort nur ungenügend wider." Die Flexibilität, auf lokale Ereignisse reagieren zu können, gehe damit verloren.

Thüringen stellt laut Krückels im Zusammenhang mit dem Gesetz jedoch eine Reihe von Forderungen, die notfalls als Protokollnotiz im Bundesrat festgehalten werden sollen. Das gelte für die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Schnelltests für Schulen, die der Landesregierung zufolge bei wöchentlich 3,5 Millionen Euro liegen. Auch eine Regelung, dass im öffentlichen Nahverkehr jeder zweite Platz frei bleiben müsse, sei mit erheblichen Kosten verbunden, an denen sich der Bund angemessen beteiligen sollte, sagte Krückels.

Hoff kritisiert mangelnde Unterscheidung zwischen Innenräumen und Veranstaltungen im Freien

Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) äußerte Unverständis darüber, dass der aktuelle Gesetzentwurf bei kulturellen Veranstaltungen keine Unterscheidung zwischen Innenräumen und Veranstaltungen unter freiem Himmel vorsehe. Open-Air-Veranstaltungen würden bei beschränkter Teilnehmerzahl, Mindestabstand und Hygieneregeln eine realistische Möglichkeit bieten, den Sommer kulturell zu erleben. Modellprojekte im Kulturbereich mit Öffnungen müssten je nach Inzidenzwert in den jeweiligen Regionen möglich sein, forderte der Minister.