Berlin. Die Bundesregierung stimmt dem Verkauf von 56 Schützenpanzern an die Ukraine zu. Die Transaktion läuft über eine tschechische Firma.

Es ist ein Richtungswechsel in der deutschen Rüstungsexportpolitik: Die Bundesregierung hat den Weiterverkauf von 56 Schützenpanzern aus früheren DDR-Beständen an die Ukraine erlaubt.

Es handele sich um Panzer vom Typ PbV-501 (früher BMP-1), die eine tschechische Firma liefern wolle, sagte eine Sprecherin des Bundesverteidigungsministeriums am Freitag. Die mit Kanonen und Maschinengewehren ausgerüsteten Schützenpanzer gehörten ursprünglich der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR. Sie waren Teil der Standardausrüstung der Armeen des Warschauer Paktes.

Panzer für die Ukraine: Tschechische Lieferung, deutsche Genehmigung

Die Schützenpanzer waren mit der Wiedervereinigung in den Besitz der Bundeswehr gelangt und Ende der 90er-Jahre zunächst an die schwedische Armee abgegeben worden. Diese verkaufte sie später an eine tschechische Firma weiter, die nun ihrerseits den Verkauf an die ukrainische Armee anstrebt.

Dafür war jedoch eine deutsche Genehmigung erforderlich. Wegen der so genannten „Endverbleibsklausel“ dürfen Waffen, die ursprünglich von der Bundeswehr stammen, nur mit einem Plazet des Bundesverteidigungsministeriums an Dritte abgegeben werden.

Deutschland lehnte Lieferung noch 2019 ab

Laut „Welt am Sonntag“ wird die Lieferung nicht sofort erfolgen können, weil die Schützenpanzer zuvor noch instandgesetzt werden müssten. Dies werde einige Wochen dauern.

Wie die Zeitung weiter berichtete, hatte die vorherige Bundesregierung 2019 bereits einmal den Verkauf der Panzer an die ukrainische Armee abgelehnt. Auch damals habe die tschechische Firma einen Antrag gestellt. Die Regierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe sich aber auf die Linie festgelegt, keine Waffen in die Ukraine zu liefern, um den Dialog mit Russland nicht zu gefährden.

Bundesregierung sperrte sich noch bis Ende Februar gegen Waffenlieferungen

Auch die Bundesregierung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte es vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar noch abgelehnt, Waffen an Kiew zu liefern. Die Regierung verwies dabei auf ihre generelle Politik, keine tödlichen Waffen in Krisengebiete zu schicken.

Ende Januar – rund ein Monat vor Beginn der russischen Invasion – hatte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) die Lieferung von 5000 Schutzhelmen angekündigt. In der Ukraine löste das ungläubiges Kopfschütteln aus. „Das ist ein absoluter Witz! Was will Deutschland als Nächstes zur Unterstützung schicken? Kopfkissen?“, spottete der Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Militärische Unterstützung: Position der Bundesregierung hat sich gewandelt

Nach der „Zeitenwende“-Regierungserklärung von Kanzler Scholz am 27. Februar änderte sie die deutsche Position. Die ukrainischen Streitkräfte haben seitdem unter anderem 1000 Panzerabwehrwaffen sowie 500 Boden-Luft-Raketen vom Typ „Stinger“ aus Bundeswehrbeständen erhalten. Auch die Lieferung von 2700 „Strela“-Panzerabwehrraketen aus früheren DDR-Beständen wurde genehmigt.

Bundeswehr-Reservisten üben mit der Luftabwehrrakete
Bundeswehr-Reservisten üben mit der Luftabwehrrakete "Strela". In der Ukraine sind weitere Waffen aus Deutschland eingetroffen. © dpa

Aus Sicht der Ukraine war dies angesichts der zunehmenden Bombardierung durch russisches Militär viel zu wenig. „Jeden Tag müssen Hunderte ukrainischer Zivilisten im russischen Raketenhagel ums Leben kommen. Dieser Zustand ist unerträglich“, sagte der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, unserer Redaktion. Man werde „immer wieder von Pontius zu Pilatus geschickt und wir wissen gar nicht, was die Bundesregierung vorhat“.

Ukraine-Krieg: Waffen-Wunschliste wurde lange ignoriert

Am 3. März hatte die ukrainische Botschaft in einer Verbalnote an das Bundeskanzleramt, das Verteidigungs- und das Außenministerium eine umfangreiche Wunschliste für deutsche Waffenlieferungen vorgelegt. Dabei ging es unter anderem um Kampfpanzer, Schützenpanzer, Artilleriesysteme, Flugabwehrraketensysteme, Aufklärungs- und Kampfdrohnen, Mehrzweckkampfflugzeuge und Fregatten.

Nach Angaben der „Welt am Sonntag“ kaufte die Ukraine in der Zwischenzeit Waffen bei deutschen Rüstungsunternehmen. Demnach hatte Kiew 5100 Anti-Panzer-Raketen beim Hersteller Dynamit Nobel Defence in Nordrhein-Westfalen bestellt. 2650 der Raketen seien bereits geliefert worden. Die restlichen 2450 Raketen sollen bis Mai produziert und schrittweise geliefert werden. Die Waffen seien vom Geld der ukrainischen Regierung bezahlt worden.

Kehrtwende: Verkauf der Panzer wurde im Eilverfahren genehmigt

Das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium hat den Verkauf demnach im Eilverfahren genehmigt. Dieses Ministerium ist für Waffenlieferungen von der Industrie zuständig, das Verteidigungsministerium für Lieferungen aus den Beständen der Bundeswehr.

Wie die „Welt“ berichtete, hatte der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall der Bundesregierung kurz nach Kriegsbeginn angeboten, die Ukraine auszurüsten oder für Kiew geleerte Bundesdepots wieder aufzufüllen. Das Bundesverteidigungsministerium habe die Liste mindestens vier Wochen lang ignoriert.

Auf der Rheinmetall-Liste hätten 35 Rüstungsprodukte mit einem Auftragswert von rund 510 Millionen Euro gestanden. Darunter seien zum Beispiel vier Skyguard-Luftabwehrsysteme zur Überwachung des Luftraums sowie 88 Leopard-Kampfpanzer vom älteren Typ 1A5 aufgeführt worden.

Dieser Artikel ist zuerst auf waz.de erschienen.