Schmölln. Gravierender Unterrichtsausfall trifft Schmöllner Eichberg-Schule im Altenburger Land hart. Thüringer Bildungsministerium hat keine Lösung.

  • Regelschule Schmölln ringt um Lehrerstunden.
  • Nicht nur Physik vom Defizit betroffen.
  • Versetzung und Unterrichtsausfälle prägen Schulalltag an der Regelschule Schmölln.

„Als Vater mache ich mir große Sorgen um die Schulbildung meines Kindes.“ Das sagt ein Vater aus Schmölln, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Sein Kind besucht die Schmöllner Regelschule Am Eichberg, der dortige Unterrichtsausfall ist so gravierend, insbesondere im Fach Physik, dass dieser Zustand inzwischen mehrere Eltern umtreibt. Und sie haben allen Grund dazu, wie ein Gespräch mit Felix Knothe offenbart, Sprecher des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport (TBJS).

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In welchen Umfang ist der Physikunterricht in welchen Klassenstufen an der Schmöllner Regelschule ausgefallen?

Es gibt hier unbestritten einen großen Mangel. Zwar konnte der Physikunterricht im ersten Schulhalbjahr noch mit einer Lehrerwochenstunde geplant werden. Die Physiklehrerin wurde aber dann leider vor dem Eintritt in den Ruhestand langzeitkrank. Somit konnte der Unterricht nur wenige Wochen am Schuljahresanfang stattfinden. Seit Januar nun ist die einzig verbliebene ausgebildete Physiklehrerin im Ruhestand. Aufgrund des hohen Personalmangels der Regelschule in Schmölln war eine fachfremde Organisation des Unterrichts, die sonst die letzte Möglichkeit bietet, auch nicht möglich.

Felix Knothe ist der Sprecher des Thüringer Bildungsministeriums.
Felix Knothe ist der Sprecher des Thüringer Bildungsministeriums. © Thüringer Bildungsministerium | Thüringer Bildungsministerium

Was ist der Grund für diese Misere?

Das ist eindeutig der Lehrermangel und hinzu kam, wie gesagt, Krankheit. An der Regelschule Schmölln fehlen deshalb 16 Stunden Physik in der Stundentafel.

Seit wann wissen darüber Thüringer Bildungsministerium und das Schulamt Ostthüringen Bescheid?

Der Lehrerbedarf der Schule ist dem Schulamt Ostthüringen natürlich bekannt. Die Schulen melden zweimal im Jahr die Bedarfe. Es mangelt nicht an Bemühungen zur Besetzung offener oder frei werdender Stellen, sondern an Bewerbungen, insbesondere im Regelschulbereich und im ländlichen Raum. Die Ursachen des Lehrermangels sind komplex und gehen in die 1990er und 2000er Jahre zurück. Uns fehlen heute zwei Generationen: diejenige, die damals nicht eingestellt worden ist, und diejenige, die jetzt in den Ruhestand tritt. Das zu bewältigen, ist eine Generationenaufgabe. Die Bemühungen zur Lehrergewinnung sind vielfältig und laufen auf Hochtouren. Im ersten Schulhalbjahr 2023/24 sind in Thüringen 653 neue Lehrerinnen und Lehrer unbefristet eingestellt worden, davon 191 im Schulamtsbereich Ostthüringen. Physik ist leider nach wie vor ein Mangelfach.

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Was wird unternommen, um den Kindern und Jugendlichen Wissen zu vermitteln in diesem wichtigen Fach?

Mit Beginn des zweiten Schulhalbjahres konnten durch Abordnungen von zwei Fachlehrern vom Gymnasium Schmölln und der Regelschule Gößnitz sieben Wochenstunden Unterricht in Klassenstufe 7, 9 und 10 erteilt werden. Allerdings ist nun eine dieser Kolleginnen im Krankenstand. Die Lage ist also insgesamt kaum einfacher geworden. Ich kann den Frust von Schülern und Eltern verstehen. Die für Abordnungen und Einstellungen zuständigen Kollegen im Schulamt arbeiten händeringend an Verbesserungen, und auch für sie ist es hart, wenn sich nach einer kleinen Lösung so schnell schon wieder die nächste Lücke auftut. Trotzdem zieht das Schulamt weiter alle Register, die zur Verfügung stehen.

Ist an der Regelschule Schmölln nur Physikunterricht vom Lehrermangel betroffen?

Nein, andere Fächer ebenfalls. Die Regelschule Schmölln hat Bedarf von insgesamt rund 150 Lehrerwochenstunden (LWS). Und zwar in diesen Fächern: Englisch (18 LWS), Mathematik (14 LWS), Deutsch (3 LWS), Chemie (10 LWS), Mensch-Natur-Technik (2 LWS), Biologie (7 LWS), Geschichte (9 LWS), Geografie (6 LWS), Ethik (18 LWS), Sport (17 LWS), Wirtschaft-Recht-Technik (3 LWS), Wahlpflichtfach Natur und Technik (16 LWS), Wahlpflichtfach Darstellen und Gestalten (7 LWS) und Russisch (4 LWS). Bis auf Physik - außer in den Klassenstufen 7 und 10 sowie 9 Hauptschulabschluss - erhalten die Schülerinnen und Schüler in jedem Fach Unterricht, wenn auch leider gekürzt.

Wird jetzt mit einer Notlösung gearbeitet?

Die Rahmenstundentafel ist so gestaltet, dass momentan - außer bei Krankheit von Fachlehrerinnen und Lehrern - alle Fächer unterrichtet werden. Personal mit Lehramtsabschluss wird gesucht, aber angesichts des Mangels auch schwerpunktmäßig im Seiteneinstieg. Geplant ist die Versetzung einer Englischfachkraft an die Regelschule in Schmölln zum Schuljahr 2024/25. Wir nutzen also weiter alle Möglichkeiten, die sich auch kurzfristig ergeben. Zum 1. Mai 2024 nimmt eine Seiteneinsteigerin für das Fach Kunst ihre Arbeit an der Regelschule Schmölln auf.

Wie wird abgesichert, dass Abschlussklassen unterrichtet werden?

Abschlussklassen stehen natürlich besonders im Fokus bei der Unterrichtsabsicherung. Sie haben in allen Fächern mit geringfügigen Kürzungen Unterricht.

Wie weit „hängen“ die Kinder und Jugendlichen an der Regelschule Schmölln im Lehrstoff zurück?

Leider gibt es Lehrplandefizite. Die Schule muss damit nun umgehen. Über allem steht die Frage, ob es schnell gelingt, eine Physik-Lehrkraft und weitere für die Schule zu gewinnen. Da ist das Schulamt dran, aber wir brauchen konkrete Interessenten. Also kann auch jeder beitragen, der vielleicht jemanden kennt, der sich für Seiteneinstieg in dem Bereich interessiert. Auch Initiativbewerbungen sind bei uns möglich. Und die Vorzüge von Stadt und Region können bei direkter Ansprache auch direkter vermittelt werden. Unser Team der Lehrergewinnungskampagne wird zum Beispiel nächste Woche auf der Buchmesse in Leipzig präsent sein und unter den zehntausenden Besuchern um Lehrkräfte werben, natürlich auch für Schmölln. Wir lassen nichts unversucht.

Das unternimmt Erfurt gegen den Lehrermangel

Eine speziell für den Regelschulbereich in Thüringen wirksame längerfristige Maßnahme wird es laut Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport neu zum Wintersemester 2024/25 geben: das Duale Regelschullehramtsstudium an der Uni Erfurt. Der Freistaat will so künftige Lehrkräfte von Studienbeginn an binden und sie bereits während der Ausbildung in die Regionen bringen. Das Duale Studium beinhalten zahlreiche Praxisanteile, die an Ausbildungsschulen in den Regionen absolviert werden. Das Bildungsministerium ist außerdem im Austausch mit Fachhochschulen, um hier geeignete Absolventinnen und Absolventen leichter als Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger, gerade für die MINT-Fächer, zu gewinnen. Auch mit der Universität Jena ist das Bildungsministerium im Austausch, um Lehramtsstudium bzw. die Bedingungen zu verbessern. Ziel ist, dass mehr Studierende, die ein Lehramtsstudium beginnen, auch den Abschluss erlangen. Die Ausbildung von Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärtern nach dem Studium im Vorbereitungsdienst wurde durch die Reform des Thüringer Studienseminars in diesem Schuljahr regionalisiert, um auch hier regionale Halte- und Bleibeeffekte zu erzielen.