Gera. Der Naturforscher sprach von einer „überaus gewerbtätigen blühenden Manufakturstadt“

Wilhelm von Humboldt (1767 – 1835) und Alexander von Humboldt (1769 – 1859) sind ob ihrer Leistungen auch heute noch bekannte Persönlichkeiten. Das Jahr 2019 wird zum Ehrenjahr durch den 250. Geburtstag Alexanders. Sein heutiger Geburtstag wird auch als „Internationaler Tag der Tropenwälder“ begangen. Welche Verbindungen aber gibt es zu Gera? Schauen wir zuerst in die Biographien.

Wilhelm von Humboldt lernt 1788 Caroline von Dacheröden kennen, die er 1791 in Erfurt heiratet. Nach der Hochzeit lebte das junge Paar während der darauffolgenden zweieinhalb Jahre auf den Dacheröden’schen Gütern in Thüringen. Um in nähere Verbindung zu Schiller und Goethe zu treten, zog die Familie im Februar 1794 nach Jena und lebte bis Juli 1795 und dann nochmals ein halbes Jahr vom November 1796 bis April 1797 dort. Des Öfteren kam Alexander von Humboldt zu Besuch. Einen längeren kontinuierlichen Aufenthalt verbrachte Alexander von Humboldt vom 1. März bis 30. Mai 1797 in Jena und Weimar. Nach dem Tod der Mutter kehrten die Humboldts nach Berlin zurück. Ihre Aufenthalte in Thüringen könnten sie auch nach Gera geführt haben.

Wie die Humboldtstraße in Gera entstand

Jedenfalls kannten sie die Stadt auch durch spätere Reisen, wie verschiedene Briefe belegen. So schrieb die Ehefrau Caroline an Wilhelm von Humboldt aus Hof am 11. Juni 1816: „Mein teures Herz! Wir ... sind heut um 2 Uhr nachmittags hier ohne alle weitere Unfälle angekommen, obgleich es zwischen Naumburg und Gera ganz unglaublich schlimme, ausgefahrene Wege gibt.“ Sie berichtet weiterhin von Reisen, Wetter und Treffen am 25. Juli und 20. September 1826. Auch Alexander reist über Gera, wie er seinem Bruder vom 13. Dezember 1826 berichtet. Und Wilhelm erzählt einer Freundin mit Brief vom 16. Oktober 1828: „In Gera haben wir uns nur noch einen Tag aufgehalten, weil wir dort eine Zusammenkunft mit Personen verabredet hatten, die in der Nähe wohnen.“ Diese Personen waren die befreundeten von Wolzogen, denen er am 9. April 1829 schrieb: „Das beste wäre, Sie kämen einmal zu einer Ihnen gelegenen Zeit nach Tegel. Alles andre Sehen ist immer nicht recht ruhig. Nach Jena käme ich nicht gern auf mehr als einen Tag. Ich müßte sonst nach Weimar, und das würde mir in meiner jetzigen Stimmung eine wahre Marter sein. Sich aber an einem dritten Orte zu sehen, wie neulich in Gera, ist gar eine traurige Aushülfe.“

Nördlich der Sorge befanden sich bis zu Anfang der 1870er-Jahre noch Gärten und Wege. Doch nach und nach wuchs Gera auch nach Norden über die Sorge hinaus. Am 27. September 1874 wurde der Weg (nach dem Adressbuch von 1914 explizit nach Alexander von Humboldt) Humboldtstraße benannt. 1882 erfolgte der Durchbruch zur Sorge, dazu wurden zwei Häuser der Sorge in der nördlichen Straßenflucht abgebrochen.

Eduard Gottlieb Amthor (1820 – 1884) gründete eine Handelsschule, die 1854 nach Gera umsiedelte. Diese zog 1861 in den Liebigschen Garten in der heutigen Humboldtstraße. Das Anwesen wurde bis 1866 noch zur Schloßstraße gerechnet, später zur Adelheid- straße und dann zur Humboldtstraße. Ob der Weg den Namen Humboldtstraße auf Anregung Amthors erhielt, ist nicht mehr ermittelbar. Nach der unten folgenden Darstellung ist das leicht möglich.

Abgeleitet von der Humboldtstraße seien zwei Unternehmen erwähnt: 1939 wurde die Humboldtklause eröffnet, eine dann beliebte Gaststätte. Ihr guter Ruf ging in den 1980er-Jahren aber verloren. Der Abriss der Humboldtklause im August 1998 machte Platz für das 1999 eröffnete Schwarzbierhaus, das aber nach einigen Jahren schloss. Auch soll erwähnt werden, dass die Humboldtapotheke, 1953 auf der Sorge eröffnet, viele Jahre als Nachfolger für die 1930 gegründete Roßplatzapotheke galt, die 1945 zerstört worden war.

Alexander von Humboldt hinterließ noch eine weitere Spur in Gera: 1804 kehrte er mit Dahliensamen verschiedener Farbschläge von seiner Amerikareise nach Europa zurück. In den folgenden Jahren wurden die Pflanzen erfolgreich vermehrt und gelangten auch nach Köstritz. Christian Deegen züchtete sie weiter und organisierte 1836 in Jena die wohl (in Deutschland) erste Georginen-Ausstellung mit 200 Sorten anlässlich der Tagung der deutschen Ärzte und Naturforscher. Auch Alexander von Humboldt und andere Größen dieser Zeit waren beeindruckt.

1928 wurde in Gera der erste Dahliengarten der Welt angelegt, der immer noch jedes Jahr viele Besucher anzieht, ein jedes Jahr blühendes Humboldtsches Erbe. Der Dahliengarten erhielt 1930 mit der von Thilo Schoder entworfenen Brunnenplastik „Dahlie“ seinen künstlerischen Mittelpunkt.

Humboldt ermutigte Eduard Amthor

Fast unbekannt sind die Verbindungen zwischen Eduard Amthor und Alexander von Humboldt. In Humboldts Nachlass fand sich ein „Brustbild des Dr. E. Amthor. Bleistiftzeichnung“ von G. Wolf und zu Humboldts Bibliothek gehörten außerdem die hier aufgeführten Bücher von dem Geraer:

Amthor, Dr. Eduard „Feierstunden von April 1852 bis 25 Juni 1853“ Hildburghausen, mit Widmung des Autors;

Amthor, Eduard (Hrsg.) „General Anzeiger für Thüringen und Franken vom 3. Juli 1853 bis 9. März 1854“ Hildburghausen 1853-54, mit Widmung;

Amthor, Eduard „Wöchentliche Rundschau über Wolle, Baumwolle, Flachs, Hanf, Seide und verwandte Rohstoffe“ 30 nos. in 1 vol. Gera 1854;

Amthor, Eduard „Mein Lebenslauf“ Privatdruck 1855, mit eigenhändiger Widmung; Anderson, William;

Amthor, Eduard „Practical Mercantile Correspondence“ mit Anmerkungen in Deutsch und Französisch, Gera 1862, mit Widmung Amthor´s.

Amthor berichtet („Das fünfundzwanzigjährige Jubiläum der Geraer Handelsschule am 8. October 1874“ Gera 1875, S. 15) über den Kontakt zu A. v. Humboldt: „Ein Brief Alex. v. Humboldt´s, mit dem ich in Folge meiner naturwissenschaftlichen Zeitschrift „Feierstunden“ in Correspondenz gekommen war, ermutigte mich zur Umsiedlung [nach Gera].“ So ist auch folgende Anekdote von Eduard Amthor erklärbar (Amthor, Eduard „Selbstbiographie“ Gera 1880):

„Ich hatte mich von Hildburghausen aus mit Alexander von Humboldt in Verbindung gesetzt, ihm den Plan zu einer für Gera projektierten Handelsschule vorgelegt und ihn um Rat in der Sache gebeten. Am 3. April 1854 schrieb dieser damals in der gesamten wissenschaftlichen Welt hoch angesehene Altmeister wörtlich Folgendes an mich: „Und sie fragen noch, ob sie in der so überaus gewerbtätigen blühenden Manufakturstadt wie es Gera ist, nach Ihrem freien Sinn eine größere Lehranstalt gründen sollen? Ihr ganzes bisheriges Leben rät Ihnen dazu die Zustimmung u.s.w.“ Die Ankunft des Briefes, der auf dem Couvert links unten mit dem Namen „Alexander v. Humboldt“ versehen war, blieb kein Geheimnis...Und in wenigen Tagen wurde ich um den Brief förmlich bestürmt! Selbst für das blosse Couvert bot man drei Louisd´or. Ich aber hielt fest bis heute; Brief und Couvert befinden sich noch unter meinen Handelsschulakten! Aber der Brief selbst, den ich natürlich zuerst zu Minister von Bretschneider getragen habe, und der von demselben mit wahrem Behagen ausbuchstabirt wurde, circulierte in der ganzen Stadt, von Fabrik zu Fabrik, selbst zum Minister Otto nach Greiz habe ich ihn senden müssen. Das war etwas, was einem Erfolg wenigstens ähnlich sah, und auch sichtlich bei dem und jenem der intelligenteren Fabrikbesitzer nicht ohne Nachhall geblieben ist. Wenigstens wurde der Fremdling nicht mehr so über die Achsel angesehen, der doch wohl manches geleistet haben musste, wenn ein Mann wie Humboldt in solchen Worten an denselben schreiben konnte.“

Dieser Briefwechsel ist der Humboldt-Forschung bisher unbekannt und rechtfertigt, eine Humboldtstraße“ in der „überaus gewerbtätigen blühenden Manufakturstadt“ zu haben.