Gera. Die 18-Jährige aus Nauendorf hat die Handwerks-Begabung von ihrem Vater geerbt

Ihre soziale Ader mit dem handwerklichen Talent verbinden; am Ende des Tages etwas mit den eigenen Händen geschaffen zu haben, mit dem sie den Menschen zu einem Stück mehr Lebensqualität verhilft – Jenny Graf hat offenbar ihren Traumberuf gefunden. Zumindest hört es sich ganz danach an, wenn die 18-Jährige aus Nauendorf über ihre Ausbildung zur Orthopädieschuhmacherin erzählt. Im zweiten von insgesamt dreieinhalb Jahren lernt sie diesen Beruf derzeit in der Schuh-Petters GmbH am Produktionssitz in der Berliner Straße.

Jenny Graf neben der Plastik am neuen Firmensitz in der Berliner Straße, der fast auf den Tag genau vor drei Jahren eingeweiht wurde.
Jenny Graf neben der Plastik am neuen Firmensitz in der Berliner Straße, der fast auf den Tag genau vor drei Jahren eingeweiht wurde. © Marcel Hilbert

Nach dem qualifizierenden Hauptschulabschluss erlangte sie nach zwei Jahren Berufsfachschule an der Geraer Berufsschule Gesundheit, Soziales und Sozialpädagogik den Realschulabschluss. Dass sie aber eher handwerklich begabt ist, hatte ihr noch während der Schulzeit ein Test im Berufsinformationszentrum (Biz) der Agentur für Arbeit noch einmal bescheinigt. „Das habe ich bestimmt von meinem Vater, der ist Maurermeister“, meint die aufgeweckte Auszubildende. Einem Vorschlag des Biz folgend bewarb sie sich bei Petters. Und durchlief das hier obligatorische Azubi-Praktikum. „Das dient dem Probearbeiten, um zu sehen, ob es passt oder ob da jemand mit zwei linken Händen ist“, sagt Sabine Horn. Die Orthopädieschuhmacherin ist selbst vor zehn Jahren diesen Weg bei Schuh-Petters gegangen und mittlerweile die Ansprechpartnerin für die Azubis.

Im Praktikum ging es dann auch gleich an die Schuhe – Probeschuhe zwar, aber eben ganz praktisches Arbeiten. „Es heißt ja Praktikum und nicht Guckikum“, meint Sabine Horn. „Ich habe gemerkt, dass es passt und die Leute cool sind“, sagt Jenny Graf. Die Probeschuhe, die ihr durch Zufall auch noch passten, hat sie noch immer bei sich daheim stehen, erzählt sie fröhlich.

Da sie einen guten Eindruck im Praktikum hinterließ, habe man gleich Nägel mit Köpfen für den Ausbildungsplatz gemacht, sagt Sabine Horn. In der Lehre ging es von den Probeschuhen schnell zu den „richtigen“ für die Endverbraucher, wobei sich die Arbeiten naturgemäß steigern. Vom Stanzen über das Zwicken bis zur Zurichtung, also der Reparatur oder Veränderung von Konfektionsschuhen für krankhaft veränderte Füße sammelte Jenny Graf schon Erfahrung. Neben dem reinen Handwerk, auf dem im praktischen Teil der Ausbildung der Schwerpunkt liegt, spielen Anatomie „von der Hüfte bis zum Zeh“, mögliche Störungen und Krankheitsbilder sowie therapeutische Ableitungen im theoretischen Teil eine Rolle. Handwerk trifft Medizin. „Praktisch ist es so, dass die Diagnose vom Arzt kommt und unsere Meister dann die daraus nötigen Schritte ableiten“, sagt Sabine Horn. Der Kundenkontakt spielt in der Praxis der Lehrlinge bei Petters keine Rolle, in der Theorie werde man aber dennoch auch darauf vorbereitet, sagt Jenny Graf, die für ihre Lehre die Berufsschule in Gotha besucht.

Bleibt die junge Frau am Ball, die in wenigen Tagen 19 wird und in ihrer Freizeit gern tanzt, dann stehen ihr in dem Geraer Unternehmen, das seinerseits im Oktober 30-Jähriges feiert, die Türen auch nach der Lehre offen. „Wir bilden grundsätzlich aus, um zu übernehmen“, sagt Sabine Horn.

Orthopädieschuhmacher/in

42 Monate

Handwerkliches Geschick, technisches Verständnis, soziale Kompetenz, Interesse an der Anatomie, gute Noten in Mathematik, Sauberkeit und Hygiene, Einsatzbereitschaft und Teamgeist

Rechtlich gibt es keine schulischen Mindestvoraussetzungen. Viele Betriebe erwarten jedoch einen mittleren Schulabschluss.

Anatomie, Physiologie, Pathologie der Stütz- und Bewegungsorgane

Bearbeiten von Werk- und Hilfsstoffen

Anmessen von orthopädischen Hilfsmitteln zur Versorgung von Fuß und Unterschenkel

Beraten und Betreuen von Patienten

Entwickeln und Herstellen von Formteilen und Modellen

Ausführen von orthopädieschuhtechnischen Befestigungsarten und Instandsetzen von Funktionsteilen

Anbringen von orthopädischen Zurichtungen an Konfektionsschuhen

Anfertigen von Unterschenkelorthesen und Fußprothesen,Anpassen von Fertigorthesen

Staatliches Berufsschulzentrum Hugo Mairich, Gotha