Wünschendorf. Gerhard Junghans weiß das 100-jährige Familienunternehmen bald in guten Händen. Sohn Swen und Tochter Annett wollen es dann in der sechsten Generation weiterführen.

Es duftet nach Kuchen und frischem Brot im kleinen Laden in der Fuchstalstraße 6. Das Wasser läuft im Mund zusammen. Gerhard Junghans scheint das zu ahnen. „Wir essen kein warmes Brot. Es muss erst durchziehen, damit das Aroma zum Tragen kommt“, erklärt der Bäckermeister. Er sieht viel jünger aus als 63, vielleicht weil er Zufriedenheit ausstrahlt. Gerhard Junghans weiß das 100-jährige Familienunternehmen in Wünschendorf bald in guten Händen. Sohn Swen, Bäckermeister, und Tochter Annett, Gesellin und Spezialistin für Torten, Kuchen, Gebäck, wollen es dann in der sechsten Generation weiterführen. Beide Kinder arbeiten schon lange mit.

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© Peter Michaelis

Wie Vater Gerhard wachsen die beiden Geschwister in der Backstube auf. Dort steht das Laufgitter. „Ich wurde zwischendurch mit Brötchen gefüttert, sie auch“, erzählt der Papa. Mit staunenden Augen folgt Gerhard jedem Handgriff seines Vaters Martin. Als Kind fährt er fast jedes Wochenende mit den Eltern nach Waltersdorf, um Oma und Opa zu helfen. Auch sie haben eine Bäckerei. Dort rollt der Steppke Brezeln. Er kostet gern, heute noch. „Süßer Brei zieht mich magisch an“, scherzt er. Feuerwehrmann wie die anderen Jungen wollte Gerhard nie werden, Bäcker schon. Ein Discogänger ist er eh nicht. Im väterlichen Betrieb gibt es zu DDR-Zeiten keine Planstelle. Der Jugendliche streikt in der zehnten Klasse, lernt nicht mehr. Der Direktor nimmt ihn zur Seite, redet ihm ins Gewissen und kümmert sich um den gewünschten Ausbildungsplatz. Es klappt. „Die Lehre habe ich mit Eins gemacht.“ 1974 fängt er beim Vater an und steht nicht nur in der reinlichen Backstube. „Weil wir Kohlefeuerung hatten, mussten aller zwei Monate 100 Zentner Briketts in den Keller geschaufelt werden.“ Aus dem weißen Mann wird schnell ein schwarzer. Kohle weicht später Öl.

Stollen werden sogar in die USA ausgeflogen

Helmut Junghans (l.) übernahm die Bäckerei 1938 und übergab sie 1955 an seinen Sohn Martin, der sie in der DDR als privaten Handwerksbetrieb führte.
Helmut Junghans (l.) übernahm die Bäckerei 1938 und übergab sie 1955 an seinen Sohn Martin, der sie in der DDR als privaten Handwerksbetrieb führte. © Peter Michaelis

Die Teigknetmaschine von 1936 verrichtet aber noch ihre Arbeit, die Mehlsiebmaschine ebenso. Beide Geräte stammen von Großvater Helmut. Sein gut gehütetes Rezept für Elisenlebkuchen kitzelt seit Jahrzehnten die Gaumen der Kunden. „Zur Adventszeit gehen bis zu 6000 Stück über den Ladentisch. Stollen, gesunde Kalorienbomben, fliegen sogar in die USA“, fügt der Chef an.

Gerhard Junghans übernimmt im Herbst 1992 das Geschäft und baut die Backstube um und versieht sie mit zwei neuen Backöfen und einer Frosteranlage. Auch die vorhergehenden Meister aus dem Junghans-Clan modernisieren und renovieren. 1919 wird Bäckermeister Eduard Schumann in Wünschendorf ansässig. Er baut ein Haus und eröffnet in diesem mit seinem Schwiegersohn Paul Junghans die Bäckerei. Die Firmengeschichte nimmt ihren Lauf.

„Unser Handwerk ist schwieriger geworden. Die Supermärkte mit ihren

Blick auf einen Kuchenschragen.
Blick auf einen Kuchenschragen. © Peter Michaelis

Backshops ziehen durch Dumpingpreise Kunden ab“, sagt Gerhard Junghans. Das ärgert ihn. In seinen drei Filialen mit fünf Verkäuferinnen bietet die Wünschendorfer Bäckerei ihre Produkte an, unter anderem elf Brot- und 14 Brötchensorten, Kuchen, Torten und Gebäck. „Das Klosterbrot ist meine Kreation“. Junghans zählt auf. „Wir verwenden nur gute Zutaten. Den Sauerteig fürs Brot den Kuchenteig, die Mohn- oder Quarkmischung stellen wir selbst her.“

Gerhard Junghans ist sich sicher, dass solides Bäckerhandwerk Zukunft hat. Es vereint Abwechslung und Kreativität, meint er.

Am Sonnabend wird in der Fuchstalstraße von 15 bis 17 Uhr das 100-jährige Firmenjubiläum mit Kunden gefeiert, natürlich mit Kaffee und viel Kuchen.