Gera. Andreas Schauder aus Gera ist an ALS erkrankt. Seine Familie kämpft für seine Betreuung zu Hause.

Begonnen hat alles im Februar 2014, als Andreas Schauder aus Gera seinen rechten Arm nicht mehr richtig bewegen konnte. Als Fremdkörper habe er ihn wahrgenommen, erzählt seine Tochter Carolin Krause stellvertretend für den Vater, der heute, nur sechs Jahre später und im Alter von 55, weder sprechen, essen oder sich bewegen kann.

Zunächst vermutet der Außendienstmitarbeiter in der Pharmabranche alles mögliche, lässt sich testen auf Schlaganfall und verschiedene Nervenkrankheiten. ALS, die amyotrophe Lateralsklerose, ist nur im Ausschlussverfahren zu diagnostizieren. Zunächst arbeitet er 2014 noch, so gut es geht, immer unterbrochen von Krankheitsausfällen und Arztbesuchen. Schließlich wird im Dezember 2014 die erschütternde Diagnose für diese fortschreitende und unheilbare Krankheit gestellt.

Nach den Armen folgten der Ausfall an den Beinen. Immer wieder stolpert der einstige Torwart beim VfB Gera und große FC Bayern-Fan. „Die Muskeln bildeten sich sichtbar zurück, er hatte unkontrollierbare Krämpfe“, erzählt Carolin Krause, die selbst seit 2009 in Bayern lebt und arbeitet. Jeden Urlaub verbrachte sie bei den Eltern in Gera-Langenberg, versuchte, eine Stütze zu sein, der Mutter zu helfen, die selbst noch arbeitete und die Pflege ihres Mannes neben der Grundpflege durch den ambulanten Pflegedienst Schmidt übernahm. „Und jedes Mal, wenn ich nach Hause gekommen bin, habe ich gesehen, was sich alles verschlechtert hat“, erzählt Carolin Krause.

Familie stößt an ihre Grenzen

Ein Hausnotruf wird installiert, weil man den Vater nach einem Sturz hilflos liegend auf dem Boden gefunden hatte. Auch die alten Fußballer stehen ihm zur Seite. Der Erlös aus einem Mitternachtsturnier im Dezember 2017 kommt ihm zugute , ebenso wie aus einem Hallenturnier mit zehn Alt-Herren-Mannschaften in Harpersdorf im März. Die Familie versucht ihm das Leben zu erleichtern, so dass er sich mit seinem Rollstuhl zumindest zu Hause bewegen kann. Von dem gespendeten Geld wird ein Caddy angeschafft, um den Transport zu sichern.

Doch die Familie, insbesondere die arbeitstätige Ehefrau, stößt mit der Pflege langsam an ihre Grenzen. In ein Pflegeheim möchte Andreas Schauder nicht, sein gewohntes Umfeld nicht verlassen. Im September 2018 bekommt er ein persönliches Budget für die 24-Stunden-Pflege zu Hause bewilligt. Nun kann die Familie zwar selbst auch nicht-examiniertes Personal mit Erfahrung in der Pflege auswählen und einstellen, wird aber zugleich zum Kleinunternehmer mit allen Risiken. „Fünf Personen sind notwendig, um eine Rundum-Pflege für meinen Vater abzusichern“, erzählt Carolin Krause. Es gilt, Dienstpläne zu schreiben, Urlaube einzuplanen, Krankheitsfälle abzufedern.

Doch der Notstand an Pflegekräften ist deutschlandweit bekannt. Nach Angaben des Thüringer Landesamtes für Statistik waren zum Stichtag 31. Dezember 2017 im Bereich der stationären Altenpflege 20.520 Pflegekräfte, im Bereich der ambulanten Alten- und Krankenpflege 11.942 Pflegekräfte tätig. Tendenz steigend, angesichts der demographischen Entwicklung hierzulande.

Ehefrau erleidet Zusammenbruch

Im Fall von Andreas Schauder kann die Familie ein Jahr auch Ausfälle beim Personal abfedern und gut meistern, bis die Ehefrau vor zwei Wochen zusammenbricht und selbst in die Klinik muss. Für den ALS-Patienten heißt das, kurzfristig doch ins Pflegeheim umzuziehen. Doch die Krankenkasse bezahlt nur entweder die stationäre Unterbringung oder das persönliche Budget. „Deshalb suchen wir jetzt ganz dringend eine Vollzeitstelle zur Pflege unseres Vaters, der am 17. Oktober das Pflegeheim wieder verlässt“, bitte die Tochter um Hilfe und hat bereits Aufrufe über das Internet gestartet.

Es ist nur ein Fall von vielen in Deutschland, der den Engpass in der Pflege verdeutlicht. Zahlen, doch für jeden einzelnen eine Tragödie. „Wir wissen nicht, wie viel Zeit dem Papa noch bleibt, wollen aber seinem ausdrücklichen Wunsch nachkommen, zu Hause zu sein“, erklärt die 31-Jährige, die aufopferungsvoll zwischen ihrem Leben in Bayern und dem Elternhaus in Gera pendelt. Sie sei mit den neuen Aufgaben gewachsen, erzählt sie noch tapfer, müsse aber unbedingt auch die Mutter entlasten. Auch der Schwager von Andreas Schauder ist täglich mehrmals vor Ort. Dennoch bedarf es dringend Hilfe von außen mit Erfahrung in der Pflege.

Hintergrund: Die Krankheit ALS

Systemerkrankung des motorischen Nervensystems, wobei sowohl das erste Motoneuron (von motorischer Hirnrinde bis zum Rückenmark) als auch das zweite Motoneuron (Rückenmark bis zum Muskel) betroffen ist. Nervenzellen sterben bei diesem Prozess ab. Folgen sind Lähmungen der Muskulatur, ein erhöhter Muskeltonus (Spastik), eine Verschmächtigung der Muskulatur und unwillkürliche Muskelzuckungen.

Die Lähmungen können alle Willkürmuskeln umfassen, so Arm- und Beinmuskeln, die Atemmuskulatur und auch die Sprach-, Kau- und Schluckmuskulatur. Sie nehmen im Verlauf der Erkrankung zu und beeinträchtigen das Gehen, das Schlucken und auch das Atmen.

Eine Versorgung mit einem Schlauch zur Sicherstellung der Ernährung bzw. die Anpassung an eine nichtinvasive Beatmung kann im Verlauf der Erkrankung notwendig werden.

Betroffen sind hauptsächlich ältere Menschen im Alter von 50-70 Jahren, wobei Männer etwas häufiger erkranken. Jährlich erkranken ca. 3 Patienten pro 10.000 Einwohner neu. Die Lebenserwartung ist verkürzt, die Schwankungsbreite ist sehr hoch.

Bei Interesse bitte melden bei carolinkrause@icloud.com