Entscheidung für den richtigen Beruf in der Geraer Textilverarbeitung

Angelika Schimmel
| Lesedauer: 5 Minuten
Ausbildungsleiterin Sandra Burkhardt und Andreas Ludwig, Geschäftsführer der Thorey Textilveredelung GmbH in Gera freuen sich über den gelungenen Ausbildungsstart von Maximilian Schöppe als Produktveredler. Vor Lehrbeginn hatte er ein Langzeitpraktikum im Betrieb absolviert.

Ausbildungsleiterin Sandra Burkhardt und Andreas Ludwig, Geschäftsführer der Thorey Textilveredelung GmbH in Gera freuen sich über den gelungenen Ausbildungsstart von Maximilian Schöppe als Produktveredler. Vor Lehrbeginn hatte er ein Langzeitpraktikum im Betrieb absolviert.

Foto: Angelika Schimmel

Gera.  Wie Maximilian Schöppe über ein Praktikum einen coolen Beruf bekommt und wie die Agentur für Arbeit dabei half.

Scheinbar endlos schwebt das Gewebeband durch die Werkhalle der Thorey Textilveredelung GmbH in Gera, wird über Rollen nach unten und oben, durch zehn Meter lange geschlossene Wannen und schließlich eine Trocknungsanlage geführt. Wenn es am Ende wieder meterdick aufgerollt wird, sind Fliese oder Gewebe flammhemmend, wasserabweisend oder lichtundurchlässig, ganz so, wie es die Kundschaft haben will.

Ein kleines Team von vier Anlagenfahrern sorgt dafür, dass alle Prozesse reibungslos ablaufen. Zu einem der Teams gehört seit kurzem Maximilian Schöppe. Der 18-Jährige hat im September bei Thorey seine dreijährige Ausbildung zum Produktveredler begonnen. Der Begriff ist neu, früher hieß der Beruf Maschinen- und Anlagenführer. Die neue Bezeichnung trifft es aber besser, denn von der Warenbereitstellung über die Bestückung der riesigen Spannrahmen, das Anmischen der Chemikalien bis zur Überwachung der einzelnen Bearbeitungsprozesse geht es bei Thorey um echte Veredelung. Flies und Gewebe wird hier zu Material mit besonderen Eigenschaften, das in der Medizin, im Fahrzeugbau, in der Reifenindustrie oder bei der Raumgestaltung zum Einsatz kommt. „Die Arbeit gefällt mir, sie ist abwechslungsreich und es wird nicht langweilig, das Arbeitsklima hier ist gut, sehr kollegial“, sagt Maximilian.

Über Langzeitpraktikum zum coolen Job

Dabei war „Produktveredler“ nicht Maximilians Traumberuf. Er wollte eigentlich in die Landwirtschaft, hatte auch dort schon Praktika absolviert. Doch mit einer Lehrstelle hatte es nicht geklappt. Über Tipps aus der Verwandtschaft sei er auf die Textilindustrie, früher ein bestimmender Industriezweig in seiner Heimatstadt Gera, und Thorey aufmerksam gemacht worden, berichtet er. Um dem jungen Mann seine Entscheidung für einen Beruf in der Textilbranche und im Geraer Traditionsunternehmen zu erleichtern, wurde ihm in Kooperation von Betrieb und Agentur für Arbeit ein Langzeitpraktikum angeboten. Das absolvierte Maximilian von März bis August dieses Jahres. „Davon profitieren Unternehmen und Jugendlicher, es ist eine gute Möglichkeit, sich kennenzulernen und auszuprobieren“, ergänzt Andreas Ludwig, Geschäftsführer der Thorey GmbH. Dass die Entscheidung für einen bestimmten Beruf und Ausbildungsbetrieb für junge Leute nicht einfach ist, weiß er.

Seit Jahren rückläufige Bewerberzahlen

„Uns gibt es seit 1994, seit 1996 bilden wir aus, Produktveredler, Textillaboranten und Industriekaufleute.“ Doch die Bewerberzahlen seien seit Jahren rückläufig. Ludwig weiß aber auch: „Was wir heute hier nicht ausbilden, haben wir morgen nicht als Fachkräfte zur Verfügung“. Deshalb geht seine Firma auch ungewöhnliche Wege, um junge Leute zu halten. „Wir haben auch schon mal Nachhilfeunterricht in Mathematik für unsere Lehrlinge gegeben“, erzählt er. Dass ein Langzeitpraktikum eine gute Sache ist, habe Maximilian bewiesen. Er hat ohne Zeitverzug vom Praktikum in die Ausbildung gewechselt.

Nach Angaben von Stefan Scholz, Chef der Agentur für Arbeit Thüringen Ost, haben in Ostthüringen seit September zehn Jugendliche ein Langzeitpraktikum begonnen, im Vorjahr haben 19 junge Leute dieses Instrument genutzt, elf davon sind unmittelbar danach in eine Ausbildung gestartet, drei haben nach Unterbrechung eine Ausbildung begonnen. In ganz Thüringen haben im ersten Halbjahr 2023 rund 120 junge Leute eine solche Einstiegsqualifizierung absolviert, für die es einen finanziellen Zuschuss von der Agentur für Arbeit gibt.

Vielfältige Hilfen für den Berufseinstieg

Dies gehört zu einem ganzen Bündel an Angeboten für die Berufsvorbereitung junger Leute. „Damit wollen wir ihnen den Einstieg ins Berufsleben erleichtern“, sagt Markus Behrens, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur-Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen. Denn obwohl die Zahl der Ausbildungsstellen deutlich über der Zahl der Bewerber liege, gebe es im Freistaat noch Schulabgänger ohne Lehrstelle. „Für dieses Ausbildungsjahr haben Unternehmen in Thüringen 13600 Ausbildungsstellen angeboten, dem gegenüber standen 8000 Bewerber. Aktuell haben wir noch 1600 unbesetzte Lehrstellen, aber auch 300 unversorgte Jugendliche“, sagte er. „Doch wir können uns nicht leisten, auch nur auf einen einzigen in der Berufswelt zu verzichten“, ergänzt er.

Deshalb müssten Agentur für Arbeit und Unternehmen jede Chance nutzen, auch Jugendliche mit Förderbedarf, Handicap oder Migrations- und Fluchthintergrund für eine duale Ausbildung zu gewinnen. Die Einstiegsqualifizierung, aber auch eine assistierte Ausbildung mit besonderen Hilfen für die Jugendlichen seien hier gute Alternativen.

Bei der Nachwuchsgewinnung für die betriebliche Ausbildung setzen sowohl die Chefs der Agentur für Arbeit als auch Thorey-Chef Ludwig große Hoffnungen in die Praxistage, die Schüler ab Klasse 7/8 künftig einmal pro Woche absolvieren können.