Gera. Eine Schulklasse baut gemeinsam mit Künstlern eine Entspannungsinsel vor dem Kultur- und Kongresszentrum. Ganz nebenbei wird Integration gelebt.

Wenn Schüler Müll einsammeln und dabei ganz Feuer und Flamme sind, dann ergeben sich bei einer Putzaktion gleich mehrere positive Aspekte. So geschehen bei der Müllsammelaktion mit Schülern der 4. Regelschule in Gera. Jetzt entsteht aus dem Müll Neues und er erfährt eine Zweitnutzung. Upcycling wird das genannt. Seit Mittwoch werkeln Schüler, Migranten des interkulturellen Vereins Gera und Künstler aus Weimar unter der Leitung der Raumstation Weimar – Impulsgeber für die Gestaltung städtischen Raumes – vor dem Kultur- und Kongresszentrum (KuK).

Diese Schulprojektwoche geht auf die Initiative der Sozialpädagogin Tina Flesch zurück. Sie beteiligte sich mit ihren Schülern bei einer Frühjahrsputzaktion in Gera Lusan, bei der Müll im Wald gesammelt wurde. Das begeisterte die Schüler, weil sie erstens nicht auf der Schulbank sitzen mussten und zweitens „echt coole Sachen“ gefunden haben, wie Fabiano Rubaj sagt.

Upcycling-Schulprojekt gestaltet Entspannungsinsel aus gesammeltem Müll vor dem Kuk
Upcycling-Schulprojekt gestaltet Entspannungsinsel aus gesammeltem Müll vor dem Kuk © Conni Winkler

Stühle, Koffer, ein Seil und Vasen, sogar eine Eisentür war darunter. Viel zu schade zum Wegwerfen, befanden die Schüler. So entstand die Idee, die Müllsammelaktion zu wiederholen, um daraus ein Floß zu bauen, was als Entspannungsinsel genutzt werden kann. Wald sauber, Kinder glücklich beschäftigt und sie kommen beim Werkeln miteinander ins Gespräch. Das sei ein ganz wichtiger Teil des Projektes, wie Franziska Fiedler vom Interkulturellen Verein sagt. Unter den Schülern gebe es einige Migranten. Vorurteile und Hemmschwellen seien manchmal groß. „Bei diesem Projekt werden solche Grenzen einfach beim Tun überwunden“, sagt die 27-Jährige, genau das wolle der Interkulturelle Verein mit seiner Arbeit erreichen.

Ein fünfzehnjähriger Schüler aus Syrien, der nicht namentlich genannt werden will, formuliert es so: „Ist schon nicht leicht, miteinander zu sprechen. Sehr laut ist es in der Klasse und es gibt viel Streit.“ Denn nicht immer könnten kulturelle Unterschiede überwunden werden, auch weil es mit der Sprache hapert. Als Beispiel nennt er seine Mitschülerin Inas. Sie ist erst seit einem Jahr in Deutschland, kam mit ihren Eltern aus dem Irak, und muss die Sprache noch lernen. Sie ist gerade mit bunten Bändern aus alten Stoffen beschäftigt, die am Fahnenmast angebracht werden sollen. Dave Schmidt vermittelt. Sie lerne erst noch Deutsch, da müsse man Verständnis haben. Dave ist einer der Eifrigsten bei dem ­Upcycling-Projekt. Er würde auch zu Hause im Garten mit Werkzeug hantieren. Aber die meisten hier hätten sich außer im Werkunterricht noch nie handwerklich betätigt.

Und Nadel und Faden in den Händen Halbwüchsiger, die versuchen den Faden einzufädeln und Stoffbahnen für ein Sonnensegel zusammenzunähen, sind schon ein seltenes Bild. „Ich kann eigentlich gar nicht nähen“, sagt Nico Gartsch, aber er versuche es und präsentiert seine im Heftstich genähten Stoffbahnen.

Das sei ein weiterer wünschenswerter Effekt, wie Tina Flesch sagt. Die Schüler können sich ausprobieren und sehen sofort Ergebnisse. Sie erhalten Anerkennung und Aufmerksamkeit. Das verleihe ihnen mehr Selbstwertgefühl. „Daher ist es so wichtig, dass unser Floß mitten in Gera vor dem KuK steht. So erfahren die Kinder, dass sie selbst etwas für die Stadt tun und sie mitgestalten können.“

Mindestens im Juli und August soll die Entspannungsinsel stehenbleiben. Am Freitag, 11 Uhr, wird sie zusammen mit allen Beteiligten und den Eltern der Kinder feierlich eingeweiht.

Das Upcycling-Projekt gehört zu der im Juli startenden Aktion Geranien der Raumstation Weimar. Es wird Teil der geplanten temporären Installationen sein. Bühnen, Bänke, Street-Soccer-Anlagen, Pflanzbeete und Sonnensegel werden gebaut, die zum Verweilen einladen. Die Freiraum­utopie Geranien ist ein Teilprojekt von Geras Neue Mitte wird zur Bühne im Auftrag der Stadt Gera mit Unterstützung lokaler sozialer und kultureller Akteure.