Gera. Geraer Volkshochschule unterrichtet Erwachsene in zwei Kursen im Lesen und Schreiben.

Jeder achte Erwachsene in Deutschland hat Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben. Das sind insgesamt 6,2 Millionen Menschen. Allein in Thüringen leben etwa 160.000 deutschsprachige Erwachsene, die nicht oder nur sehr wenig lesen und schreiben können. Verlässliche Zahlen, wieviele Menschen in Gera nach der Schule nicht oder nur rudimentär in der Lage sind, in ihrer Muttersprache Deutsch Texte zu erfassen oder zu schreiben, gibt es nicht. „Die Scham bei den Betroffenen ist groß“, weiß die Leiterin der Geraer Volkshochschule Petra Meyenberg. Die Volkshochschule „Aenne Biermann“ unterstützt seit zehn Jahren intensiv Erwachsene mit Kursen bei der Alphabetisierung,

Zu verdanken sei das insbesondere der langjährigen Kursleiterin und Grundschullehrerin Brigitte Kaczmarek, sagt Volkshochschulchefin Petra Meyenberg. Der Kursleiterin sei es auch zu verdanken, dass das Alphabetisierungsangebot der Geraer Volkshochschule über die Corona-Pandemie hinweg gerettet werden konnte. Sie habe in der Zeit, als nicht unterrichtet werden durfte, telefonischen Kontakt zu den Kursteilnehmern gehalten und auch Einzeltreffen organisiert, um das Angebot für die Teilnehmer aufrecht zu erhalten. „Sonst wären sie sicherlich abgesprungen“, sagt Petra Meyenberg.

Höhere Dunkelziffer an Analphabeten

Zwei Kurse werden ständig für Erwachsene angeboten, die Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben haben. Die Teilnahme ist kostenlos. „Auch die Bücher werden kostenlos gestellt“, erläutert die Volkshochschulchefin. Das sei möglich dank einer Förderung vom Land. Aktuell nutzen je Kurs sechs Teilnehmer die Chance, zum Teil über mehrere Jahre im Erwachsenenalter die Grundkompetenz des Lesens und Schreibens zu erlernen oder Verlerntes wieder zu reaktivieren. Die Dunkelziffer der Analphabeten in der Stadt schätzt Petra Meyenberg jedoch als weit höher ein.

Gründe für Analphabetismus im Erwachsenenalter in einem zivilisierten Land mit Schulpflicht gibt es verschiedene. Einen wesentlichen Grund sieht die Volkshochschulchefin darin, dass nicht wenige junge Menschen die Schule ohne Abschluss verlassen und somit vom Erwerb berufsbezogener Grundkompetenzen so gut wie ausgeschlossen sind. Deutschlandweit seien es jährlich fast 50.000. Für Analphabeten seien Zeitungs- und Buchtexte so wenig verständlich wie für die meisten Bundesbürger chinesische Schriftzeichen, beschreibt Petra Meyenberg der Situation: „Wer die Schriftsprache nicht kennt, benutzt sie nicht. Das verringert für die Betroffenen nicht nur die Chancen auf dem Arbeitsmarkt, sondern beeinträchtigt auch ihre Lebensqualität und ihre gesellschaftliche Integration.“

Praktischer Nutzen von Lesen und Schreiben

In den Volkshochschulkursen zur Alphabetisierung können die Teilnehmer in kleinen und persönlichen Gruppen und mit fachgerechter Unterstützung genau das erlernen, was sie für Alltag oder Beruf an Lese- und Schreibkenntnissen brauchen. Da gehören auch Besuche in der Bibliothek oder in Ausstellungen und Museen, wo die Kursteilnehmer beispielsweise beim Lesen von Beschriftungen und Erläuterungen den Nutzen von Sprachkompetenz praktisch erfahren können.

„In einem ersten Beratungsgespräch wird ausführlich über das Kursangebot und die Kursinhalte informiert. Bei der Beratung wird selbstverständlich die volle Anonymität gewahrt, sie ist vertraulich und kostenfrei“, versichert die Leiterin der Geraer Volkshochschule. Sie empfiehlt: „Wenn Sie jemanden aus Ihrer Bekanntschaft, Verwandtschaft oder aus Ihrem Arbeitsumfeld kennen, der nicht ausreichend lesen und schreiben kann, dann ermuntern Sie ihn oder sie, sich an der Volkshochschule beraten zu lassen.

Die beiden Kurse Lesen und Schreiben, zu denen jederzeit neue Teilnehmern hinzukommen können, finden dienstags statt in der Zeit von 10 bis 12.15 sowie von 15.45 bis 18 Uhr. Für die Teilnahme wird keine Gebühr erhoben. Kontakt: Geraer Volkshochschule „Aenne Biermann“, Talstraße 3, Telefon (0365) 5525930, E-Mail service@volkshochschule-gera.de