Greiz. Das Gastspiel in der Vogtlandhalle ist eine bitterböse, schwarzhumorige Gesellschaftssatire

Das Fazit vorweg: Adams Äpfel, das Gastspiel der Adams-Äpfel-Sommertheatercompany aus Leipzig, das am Dienstagabend auf der Studiobühne der Vogtlandhalle im Rahmen des diesjährigen Greizer Theaterherbstes lief, funktioniert. Den schwarzen Humor der dänischen Filmvorlage transportieren die Schauspieler perfekt, so dass das Stück, das eigentlich ein Drama voller traumatisierter Menschen ist, fast schon zu einer Komödie wird. Auch die Botschaft, dass sich die heutige Welt nicht mehr in Schwarz und Weiß einteilen lässt, sondern vielmehr in viele Graustufen wird klar und überzeugend transportiert. Es ist ein kurzweiliges Stück, das immer wieder aktuelle Anspielungen enthält.

Es gibt kein Gut und Böse im Bühnenstück Adams Äpfel, weswegen es schwer fällt, einen Sympathieträger zu finden. Der abgehalfterte Tennisspieler Gunnar ist ein Pädophiler und betrinkt sich permanent, um mit seiner Situation klarzukommen. Khalid ist Araber und Tankstellenräuber und flieht am Ende lieber nach Hause, als sich den Problemen zu stellen. Die schwangere Sarah, die alkoholabhängig war, heult die ganze Zeit und beginnt ihre Liebesbeziehung mit Gunnar mit einem Besäufnis, bei dem ihr ihr heranwachsendes Kind egal ist.

Am deutlichsten wird die zerrissene Charakterzeichnung bei Ivan, dem Pastor, der die verlorenen Seelen versammelt hat, um ihnen durch die göttliche Botschaft wieder den Weg zurück in das Leben zu ermöglichen. Aber er ist die eigentlich die verlorenste der Seelen. Vom Vater vergewaltigt, die Schwester tot. Die Frau brachte sich um, nachdem auch das behinderte Kind starb. Und ein Tumor im Kopf soll laut Arzt schon bald sein Leben beenden. So traumatisiert, flüchtet er sich in eine Welt, in der alles eine Versuchung des Teufels ist, die nur überstanden werden muss. Persönliche Schuld gibt es nicht, weil sie nur durch den Teufel entstand. Selbst die Vergangenheit von Poul, einem weiteren der Betreuten, der in einem Konzentrationslager arbeitete, wird weggewischt, weil sie ja in der Vergangenheit liegt.

Adam bleibt fast noch der „freundlichste“ Protagonist. Zwar neigt der Neonazi zu Gewaltausbrüchen, schlägt den Pastor mehrfach blutig zusammen und zerreißt solange dessen Weltbild, bis Ivan zusammenbricht und sich fast apathisch zurückzieht. Aber er macht eine Wandlung durch, als er erkennt, zu was die anderen traumatisierten Seelen ohne den Einfluss des Pastors werden.

Symbolisch für die Graustufen steht auch der Apfelbaum, der biblische Baum der Erkenntnis von Gut und Böse. Nach und nach wird er immer weiter zerstört. Erst sind es die Krähen, welche die Äpfel fressen, danach kommen die Würmer. Am Ende schlägt ein Blitz ein und es bleibt nur noch ein Stumpf übrig – die Unterscheidung zwischen Gut und Böse ist somit nicht mehr möglich.

Dass das Theaterstück das Ende des Films ändert, Adam nicht bei Ivan bleibt und als Helfer die Patienten betreut, sondern hinaus aus dem symbolischen Paradies in die Welt geht, ist somit konsequent und folgerichtig.

Einziger kleiner Kritikpunkt: Die Auseinandersetzung mit der AfD im Stück wirkt stellenweise aufgesetzt. Natürlich holt sie Adams Äpfel in die heutige Zeit, soweit sogar, dass auch das umstrittene ZDF-Interview des AfD-Politikers Björn Höcke einen kurzen Seitenhieb bekommt. Auch die AfD-Zitate etwa zu Kultur, welche die Partei zur Identitätsstiftung für die deutsche Leitkultur benutzen möchte, machen die Kritik deutlich. Ein Stück wie Adams Äpfel wäre dann wahrscheinlich nicht mehr möglich. Jedoch wirken sie ein wenig außen vor und dazugeschrieben, vielleicht weil der Film 2005 und in Dänemark entstand, wo die AfD noch keine Rolle spielte beziehungsweise spielt – nationale Tendenzen aber schon. Die Botschaft des Stückes bringen sie aber dennoch rüber, im gleichen schwarzen Humor, der das ganze Stück beherrscht.

Kurz vor der Aufführung gab es eine kleine Ausstellungseröffnung. Noch bis zum Ende des Theaterherbstes zeigt im kleinen Foyer vor der Studiobühne die Malerin Iman Alzaidi aus dem Irak ihre Bilder. Auf ihnen zu sehen sind Darstellungen von Frauen aus ihrer Heimat, mal in fröhlichen Situationen, mal in schrecklichen. Man habe sich im Café Ok auf dem Greizer Kirchplatz kennengelernt, erzählte der künstlerische Leiter des Theaterherbstes, Martin Heesch. Aus diesem Treffen entstand spontan die Ausstellung. Sie hoffe, dass ihre Bilder zu Nachrichten des Friedens werden könnten, meinte die Künstlerin in ihren kurzen Begrüßungsworten.