Greiz. Ministerpräsident Bodo Ramelow und Physiker Harald Lesch zu Gast

Zwei Rhetoriker vor dem Herrn waren am Montag in der Stadtkirche Gast bei Harald Seidels Reihe Prominente im Gespräch, Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) und Astrophysiker, Autor und Fernsehmoderator Harald Lesch. „Obwohl wir uns erst heute persönlich kennengelernt haben, verstehen wir uns auf Anhieb“, meinten sie nach zwei Stunden unisono. Der mitreißende, nachdenkliche, beglückende Abend zum Thema Umwelt- und Klimaschutz lockte über 650 Zuhörer an und hatte mit dem von Kantor Ralf Stiller geleiteten Jugendchor und der Jungen Hofkapelle an St. Marien zudem heimliche Stars.

Mit seinem Buch „Wenn nicht jetzt, wann dann? Handeln für eine Welt, in der wir leben wollen“, greift Lesch den Klimawandel und seine Folgen auf und wird zum Mahner, um dem Planeten Erde um den nachfolgenden Generationen eine Zukunft zu geben. Kein Wunder, dass er klar für die Fridays-for-Future-Bewegung steht. Es sei eine „ethisch absolut saubere Forderung der Aktivisten: Vermasselt uns unsere Zukunft nicht“, so Lesch in seinem Einführungsreferat, in dem er mit großartiger Fabulierkunst den Ernst der Lage vor Augen führte. Die Natur leide unter einem „Mensch gemachten posttraumatischen Stresssyndrom“, dessen Folgen nicht nur einzelne Katastrophen seien, sondern, dass Gefahr drohe, dass das gesamte Ökosystem kippt. Lesch malte keineswegs nur den Teufel an die Wand, er machte auch Mut: Deutschland besitze genügend Fantasie und Kreativität, um ökologisch umzudenken. Aber es genüge nicht, nur auf die Wissenschaft zu hoffen, wenn man sich einig sei über Veränderungen, müssten alle freitags auf die Straße gehen und die Politik zum Handeln bewegen.

Bei Ramelow rannte Lesch damit und mit seiner Kapitalismuskritik, bei der es um ausuferndes Wachstum auf Kosten der Umwelt ging, offene Türen ein. Hatte der Physiker den Blick aufs Globale gerichtet, versuchte der Politiker, das Thema für den Freistaat zu konkretisieren. Sterbende und kranke Wälder führte Ramelow gleichermaßen an wie jüngste Waldbrände und extreme Trockenheit der Böden, all dies stelle riesige Herausforderungen dar. Und statt den Energiewandel einzig den Energieriesen zu überlassen, setze seine Regierung auf einen „dezentralen, regionalen und regenerativen“ Energiewandel, bei dem nicht Unternehmen, sondern Kommunen und Bürger profitierten; wie das funktioniere, zeige Schlöben bei Jena. Unverständnis äußerten beide auch, dass Flugbenzin steuerfrei sei, bei der Bahnfahrt aber die volle Mehrwertsteuer berechnet werde – es sollte umgekehrt sein.

Bewegende wie beschwingte Musik schenkte dem Abend der Jugendchor und die Junge Hofkapelle. Mit Kompositionen von Bach bis Comedian Harmonists waren die Ensemblemitglieder die heimlichen Stars des Abends – und erhielten zu Recht standing ovations von den Podiumsgästen wie dem Publikum, zu dem unter anderem auch der erste deutsche Astronaut und Greizer Ehrenbürger, Ulf Merbold, gehörten.

Harald Seidel bat die Zuhörer um eine Spende für die Sanierung der Orgel, so kamen 2044,70 Euro zusammen.