Jena/Weimar. Beethoven-Jahr in Deutschland: Wir erinnern daher an die „Jenaer Sinfonie“, eine musikwissenschaftliche Falschmeldung, die sich Jahrzehnte hielt.

Falschnachrichten können bewusst gestreut sein – oder aber irrtümlich. Rum wie num, schlimmstenfalls setzt sich die vermeintliche Wahrheit in den Köpfen fest und lässt sich nur schwer wieder herauszerren. Und davor ist auch die Wissenschaft nie gefeit. So hielt sich jahrzehntelang die Theorie, dass Ludwig van Beethoven (1770 – 1827) der Saalestadt eigens ein Stück komponierte, die „Jenaer Sinfonie“.

Fritz Stein, Musikwissenschaftler und Theologe, entdeckt Anfang des 20. Jahrhunderts Notenblätter der Sinfonie in der Jenaer Universitätsbibliothek. Das muss der junge Beethoven komponiert haben, stellte er fest, denn Partien der Komposition erinnerten an ihn und an einer Stelle war auch dessen Name notiert. Ein halbes Jahrhundert lang spielten Orchester die Sinfonie in C-Dur unter Beethovens Namen – bis schließlich der britische Musikwissenschaftler H.C. Robbins Landon im Archiv eines Stifts in Österreich eine Kopie der Sinfonie fand, unterschrieben vom Komponisten Friedrich Witt, der gleichfalls wie Beethoven 1770 geboren wurde, aber zu weniger Ruhm gelangte.

Auch Marlene Dietrich umranken Falschmeldungen

„Typisch Fake News“, sagt Christoph Meixner, Leiter des Archivs der Weimarer Musikhochschule Franz Liszt, darauf angesprochen. „Auch die musikwissenschaftliche Forschung ist mal fehlgeleitet.“

Allerdings blieben solche Geschichten hängen. Da geht es Beethoven wie Marlene Dietrich: Immer wieder bekomme Meixner Anfragen zur Studentenakte der Schauspielerin. Aber sie sei nie Studentin an der Weimarer Musikschule gewesen, „doch die Legende hält sich bis heute“. Vielmehr habe die Grande Dame als Privatschülerin in Weimar ihr Geigenspiel verfeinert – und pflegte zu ihrem Lehrer Professor Robert Reitz auch eine intime Beziehung, wie ihre Tochter Maria Riva in ihrer Biografie schrieb.

Beethoven selbst war höchstwahrscheinlich nie in Jena

Aber zurück zu Beethoven: Nun, war der Komponist also nie in Jena oder Weimar? „Seine Spuren führen hierher“, sagt Archivleiter Meixner, aber nur indirekt. So habe sich Franz Liszt, der als Kapellmeister in Weimar wirkte, einen originalen Flügel von Beethoven erworben. Heute befinde sich dieser in Wien. Außerdem war Liszt eng mit Johann Hummel befreundet, für dessen Frau Elisabeth, so eine These der Musikwissenschaft, Beethoven das Stück „Für Elise“ geschrieben habe, sagt Meixner. Überhaupt sei Beethoven ein großer Einfluss für den jüngeren Liszt gewesen.

Eine Abschrift der „Jenaer Sinfonie“ liegt übrigens noch im Weimarer Hochschularchiv, aber das ist „nichts Weltbewegendes“, sagt der Leiter.