Jena. Menschen in Jena Berliner Autorin Anne Jelena Schulte führte Gespräche mit Jenaern

„ Ich habe Jena total liebgewonnen“, sagt Anne Jelena Schulte. Die Berlinerin ist Gast in unserer Stadt, die Autorin des Theaterstücks „Wo ist das Theater?“. Erst im Juni kam sie das erste Mal nach Jena. „Diese Stadt ist zwar relativ klein, aber nicht miefig. Und die Leute sind unglaublich offen, freundlich und gesprächsbereit.“ Sie sei auch schon in etlichen anderen Städten unterwegs gewesen, häufig seien die Menschen dort reservierter.

In den vergangenen Wochen hat Jelena Schulte mit etlichen Jenaern gesprochen, wollte wissen, was sie vom Theaterhaus halten, ob sie ins Theater gehen. Denn das Theaterhaus wird Thema sein im Theaterhaus.

Die 43-jährige Berlinerin weiß, worauf sie sich eingelassen hat. Es ist wahrlich nicht zum ersten Mal, dass an ihrem Schreibtisch aus Gesprächen und Eindrücken ein Theaterstück entsteht. Schließlich hat sie an der Universität der Künste in Berlin Szenisches Schreiben studiert und ist, wie sie erzählt, aus ihrem Studienjahrgang die einzige, die tatsächlich als Theaterautorin arbeitet und davon auch lebt.

Gleich nach dem Abitur hatte sie sich für diesen Weg entschieden. „Immer schon haben mich Literatur und Theater interessiert. Ich bin neugierig auf das Leben, wollte die Theorie mit der künstlerischen Praxis verbinden.“ Nach dem Studium schrieb sie als freie Mitarbeiterin für den Berliner Tagesspiegel Nachrufe über unbekannte Berliner Menschen. „Das war unheimlich spannend. Und ich habe gelernt, dass es das so genannte normale Leben gar nicht gibt. Jedes Leben ist etwas Besonderes. Und es ist schön, mitunter überraschend, wie der Einzelne von der Gesellschaft geprägt und wahrgenommen wird.“

Inzwischen säumen auch etliche Theaterstücke den bisherigen Arbeitsweg von Jelena Schulte, sei es das Recherchestück „Hotel der Immigranten“ oder ein Stück über die russische Mathematikerin Sofja Kowalewskaja. Und nun also Jena.

Gleich in den ersten Tagen in Jena machte sie sich auf den Weg, führte Interviews auf der Straße, in Cafes rund um den Engelplatz, wollte von den Leuten wissen, was sie vom Theaterhaus halten. „Einige arbeiten hier direkt in der Umgebung, sind aber abends einfach zu erschöpft, um sich fürs Theater aufzuraffen. Es gibt auch Leute, die glauben, hier werde das ganze Jahr für die Kulturarena geprobt“, erzählt Jelena Schulte.

Das „richtige Theater“ woanders besuchen

Von älteren Damen hätte sie gehört, dass sie ab und an nach Gera in die Operette fahren, andere bevorzugten das „richtige“ Theater in Weimar, wollten Stücke wie etwa „Romeo und Julia“ sehen. Sie habe auch von Jenaern gehört, die das Theater nicht finden, im Theatercafe landen und nach dem Eingang fragen. Wieder andere hätten ihr gesagt, sie hätten genug Theater zu Hause mit ihren Kindern. „Überraschend für mich war, dass es Leute in der direkten Umgebung hier gibt, die noch nie hier im Theater waren.“ Dann habe sie sich im Theaterhaus selbst umgehört, habe von dem Neuanfang in den Neunzigerjahren erfahren, von dem künstlerischen Freiraum, der sich mit der Neugründung des Theaters als gemeinnützige GmbH ergeben habe. Auch eigene Eindrücke habe sie sammeln können. Eigentlich sei es eine tolle Sache, dass der alte Zuschauerraum in den Achtzigerjahren abgerissen worden ist. Denn: So ein kleines Haus habe viel weniger ökonomischen Druck. „Hätte das Haus 600 Plätze, müsste ein anderes Programm her. Dann bliebe der Mut zu neuen Lösungen auf der Strecke. Insofern ist das vermeintliche Scheitern des Jenaer Theaters eigentlich ein großer Gewinn.“

Ebenso sei der Platz vor dem Theater ein Gewinn. „Das ist so symbolisch für Freiräume: ein Platz, der noch leer ist. Das Theater kann sich diesen Platz nehmen und hat die Chance, hier zu experimentieren.“

Als Berlinerin hatte sie natürlich auch davon gehört, dass der NSU hier in Jena seinen Ausgangspunkt hatte. Und für sie sei es überraschend gewesen, dass keine der bisherigen Theaterproduktionen sich dieses Themas angenommen habe, obwohl doch 1997 direkt auf dem Theatervorplatz ein Koffer mit einer Bombenattrappe deponiert worden war. „Ich verstehe manches im Nachhinein, dass viele Menschen damals nicht eher wach geworden sind, dass keiner sich das vorstellen konnte, was aus dem NSU-Trio geworden war.“

Und wo ist nun das Theater? „Wenn wir die fertige Antwort hätten, wäre das Stück überflüssig“, sagt sie. Aber ein Stück näher möchte sie dem Ganzen schon kommen gemeinsam mit dem Ensemble. Und vielleicht findet ja mancher Jenaer dann doch mal den Weg ins Theater.

Für Anne Jelena Schulte jedenfalls war der Weg ins Theater nach Jena keine Einmal-Erfahrung. „Ich bin sehr gern hier, und auch die Natur rundherum ist einzigartig.“ Sie wird wiederkommen.