Das Helfernetzwerk in Jena verzweigt sich wie eine Wurzel

Thomas Stridde und Jördis Bachmann
| Lesedauer: 5 Minuten
Die Mitarbeiterinnen der Bürgerstiftung Jena sind dankbar für die Unterstützung der freiwilligen Helfer, von links: Munara Abdyvasieva, Heidi Scheller, Boshena Geßner, Olga Goldschmidt und Barbara Albrethsen-Keck.

Die Mitarbeiterinnen der Bürgerstiftung Jena sind dankbar für die Unterstützung der freiwilligen Helfer, von links: Munara Abdyvasieva, Heidi Scheller, Boshena Geßner, Olga Goldschmidt und Barbara Albrethsen-Keck.

Foto: Jördis Bachmann

Jena.  Etwa 880 ukrainische Geflüchtete sind mittlerweile in Jena angekommen

Mit bis zu 2000 Flüchtlingen aus der Ukraine kann Jena rechnen, wenn man die vom Bund kalkulierten eine Million Flüchtlinge in Deutschland herunterrechnet. Bislang sind nach Schätzung von Sozialdezernent Eberhard Hertzsch (parteilos) 850 bis 880 Menschen aus dem bekriegten Land in der Stadt angekommen. Offenbar, so resümierte OB Thomas Nitzsche (FDP), habe der Freistaat nicht starr nach Schlüsselzahl verteilt, sondern Zuweisungen „weggepuffert“ für Städte wie Jena, wo auf privaten Wegen schon viele Flüchtlinge angelandet sind. „Es ist noch kein Bus angekommen.“ Das habe Zeit gegeben, sich weiter um Unterkünfte zu kümmern. Von Anbeginn sei es klar gewesen, dass Erst- oder Privatunterbringung nicht beliebig ausgedehnt werden können. So müsse man jetzt über die Phase „Satt, Bett, Dach überm Kopf“ hinausdenken.

Von der Unterbringung in Turnhallen „wollen wir uns etwas zurückbewegen“, sagte Hertzsch. – Deshalb die gemietete Etage im Lobedaer Pflegeheim oder die ehemalige Visitamed-Pflegeeinrichtung in Zwätzen (die nach Ostern in Betrieb geht). „Ganz viel Potenzial“, sagte Hertzsch, berge die alte Uni-Frauenklinik in der Bachstraße, wo Handwerker am Herrichten sind. Ertüchtigt werde das ehemalige POM-Fitnesszentrum. „Das haben wir dann im Stand-by-Modus für den Fall, dass wir es brauchen.“ Als Erstaufnahme-Einrichtung vom Netz genommen und wieder ihrem Ur-Zweck zugeführt werde die Turnhalle der Galileo-Schule. Dafür sei die Turnhalle der Berufsschule Göschwitz von Freitag an die neue Erstaufnahmeeinrichtung. „Da ist mehr Infrastruktur.“

Gut lasse sich die Einbindung der Schulpflichtigen an. Von 76 Mädchen und Jungen seien 67 in Schulen aufgenommen, über 20 in Grund- und über 40 in Gemeinschaftsschulen, sagte Eberhard Hertzsch. Hier nutze man Spielräume, indem pro Klasse zwei Schüler mehr aufgenommen werden können als vorgeschrieben. In den Kindergärten seien bislang acht Mädchen und Jungen angekommen und 16 weitere bereits im April gebucht. Hier gelte Gebührenfreiheit, das Essen werde über das Bildungs- und Teilhabepaket bezahlt.

Seit Montag ist am Teichgraben 5 das „Welcome-Center“ in Betrieb, das Wege auf den Arbeitsmarkt weist. „Viele sind noch nicht arbeitsfähig“, sagte Ramona Scheiding von der Jenaer Wirtschaftsförderung.

Unverzichtbares Ehrenamt

Während die Stadt ihren Teil leistet, leisten unzählige Ehrenamtler und freiwillige Helfer einen unverzichtbaren Beitrag für die Flüchtlinge, die in Jena ankommen. Nicht mehr wegzudenken ist das Helfer-Team, das sich um Munara Abdyvasieva aus Kirgisistan und Boshena Geßner aus der Ukraine gebildet hat. Die beiden Frauen leben viele Jahre in Jena und haben eine Helfer-Plattform über die sozialen Medien aufgebaut. „Es ist als würden den ganzen Tag die Glocken läuten“, sagt Boshena Geßner. Rund um die Uhr, auch in der Nacht, kämen über die Whatsapp-Helfer-Gruppe Anfragen. 70 Mitglieder habe diese Gruppe mittlerweile. Hier werde sich um alles gekümmert: Arzttermine, Beistand von ukrainisch-sprachigen Psychologen, Rollstühle organisieren, Spenden verteilen, Unterkünfte vermitteln, Kita- und Schul-Plätze beantragen, Freizeitangebote finden, Sprachkurse vermitteln. Man müsse ständig vor Ort sein und mit den Geflüchteten ins Gespräch kommen, so Geßner.

Auch über die Facebook-Gruppe „Jena hilft“, die die beiden Jenaerinnen gegründet haben, werden viele Geflüchtete erreicht. Gezielt kann über die sozialen Medien Hilfe organisiert und Informationen verbreitet werden. Das ehrenamtliche Netzwerk habe sich wie „die Wurzel eines Baumes“ entfaltet. Man sei dafür unglaublich dankbar.

Eine Kleiderkammer wird eingerichtet

Heidi Scheller und Barbara Albrethsen-Keck von der Bürgerstiftung sind glücklich, dass sie den Kontakt zu Boshena Geßner und Munara Abdyvasieva fanden und mit ihnen arbeiten können. Durch sie erfahre man genau, welche Bedürfnisse es gebe, sagt Heidi Scheller. So sei es der Stiftung gemeinsam mit den Helfern gelungen, eine Kleiderkammer auf dem Areal der alten Feuerwache im ehemaligen Umsonst-Haus einzurichten.

Die Bürgerstiftung koordiniert zahlreiche Projekte für Geflüchtete. Eine Helfer-Hotline steht zur Verfügung. Zusätzlich gibt es eine Hotline auf Ukrainisch und Russisch. Regelmäßige Treffen im Paradies beim Spielplatz wurden ebenfalls initiiert. Sie sollen der Zusammenkunft von ukrainischen Geflüchteten, aber auch von Helfern dienen und würden sehr gut angenommen.

Infos und Kontaktmöglichkeiten

Hotline für Helfer:
0151 5043 0724
Montag bis Freitag, 10 bis 12 Uhr und von 14 bis 20 Uhr

Informations-Hotline auf Ukrainisch und Russisch:
0151 5041 3965
; Montag, 9 bis 12; Dienstag 8 bis 10 und 14 bis 16; Mittwoch, 18 bis 21; Donnerstag, 9 bis 12; Freitag 14 – 17

Kleiderkammer: Saalbahnhofstraße 15; Dafür sammelt die Stiftung gut erhaltene, gereinigte Kleidung für Frühjahr und Sommer. Gebraucht werden vor allem Damenbekleidung und Kinderkleidung; Abgabezeiten: Donnerstag, 7. April, 14 – 18 Uhr; Freitag, 8. April, 14 – 18 Uhr; Samstag, 9. April, 10 – 15 Uhr; Die Kleiderkammer wird von ehrenamtlichen deutschen, ukrainischen, russischen und arabischen Helferinnen betrieben und eröffnet am 19. April. Sie wird bis Ende Juni immer Montag bis Freitag, 10 – 18 Uhr geöffnet sein.

Nächstes Treffen für ukrainische Geflüchtete und Helfer im Paradies-Park am Samstag, 9. April, ab 15 Uhr.

Plattform für Menschen, die sich engagieren wollen oder Unterstützung suchen:
engagiert-in-jena.de

Facebook-Seite „Jena hilft“