Jena. Mehr Personal für mehr Qualität in Pflege und Kindergärten, ein 365-Euro-Jahresfahrschein für den Nahverkehr und die Verlängerung der Wiesenstraße von der Jenaer Stadtgrenze aus gen Porstendorf – das gehört zu den politische Zielen der Kandidaten.

Das fällt auf im Gespräch mit Birgit Green und Lutz Liebscher. Die beiden in Jena antretenden sozialdemokratischen Kandidaten für die Landtagswahl stellen das Soziale voran auf die Frage, was sie denn für ihre Stadt im Thüringer Parlament würden durchboxen wollen.

Birgit Green, die 48-jährige Krankenschwester, schöpft aus ihren Erfahrungen als Pflegedienstleiterin und sieht die Stärkung der Arbeitnehmerrechte in Jena als ein vordringliches Ziel. „In den sozialen Berufen fehlt es an dieser Stelle“, sagt Birgit Green. „Ja, das Uni-Klinikum. Aber gucken Sie sich mal die anderen Einrichtungen an. Mit viel Glück gibt es da vielleicht eine Betriebsvereinbarung.“ Nur im Uni-Klinikum seien die Kolleginnen und Kollegen gewerkschaftlich organisiert. Und so sieht es Birgit Green als ihre Aufgabe, in den anderen Einrichtungen zu werben: Ihr müsst Tarifpartner binden! Verdi müsse seine Strahlkraft in allen Pflegeeinrichtungen entfalten. Tarifverträge mit Arbeitgebern würden helfen, die Pflegekräfte-Situation zu stärken. Im Moment jedenfalls reguliere der Markt gar nichts. „Viele Menschen gehen aus der Pflege raus und machen was ganz anderes.“ Es sei doch beileibe nicht erbaulich, dass zum Beispiel in der Altenpflege die Fachkräfte an drei Wochenenden im Monat arbeiten müssen.

Pläne für Wiesenstraße noch mal aufrollen

Lutz Liebscher (34), Jenas SPD-Kreis-Chef, spricht als Vater zweier kleiner Kinder. Er sieht auch in den Jenaer Kindergärten die Notwendigkeit, „mehr Personal für mehr Qualität“ zu gewinnen. Thüringens rot-rot-grüne Landesregierung habe in derlei Fragen einiges bewegt. „Aber damit kann das Ende der Fahnenstange nicht erreicht sein“, sagt Liebscher, der in der vergangenen Legislatur als persönlicher Referent von Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD) gearbeitet hatte. „Wenn da nur eine Kollegin krank ist, kommt das System ins Rutschen.“ Mehr Personal jedoch senke nicht nur die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kindergarten außerplanmäßig eher schließen muss – es vergrößere sich dann zum Nutzen aller auch das Maß an Weiterbildung der Fachkräfte.

Noch längst nicht ausgereizt sieht Lutz Liebscher Thüringens neues Angebot „Pia“ – die praxisintegrierte Ausbildung, die den künftigen Erziehern auf dem Weg zum Beruf anders als bisher endlich ein Entgelt sichert. Nur: Aktuell würden in Thüringen gerade einmal 60 junge Leute per „Pia“ ausgebildet. – Nicht aber in der Bildungshochburg Jena! Das müsse sich ändern. Zwar ist Lutz Liebscher dagegen, dass die Qualität der Betreuung und die von der Landesregierung zuletzt forcierte Beitragsfreistellung in Kindergärten gegeneinander ausgespielt werden. „Jetzt ist aber erst einmal die Qualität dran, und das heißt: ‚Pia!.“

Beim Thema Nahverkehr ist Lutz Liebscher seiner Bundestagsfraktion ganz nah, die im Zuge des Klimaschutzes die Kommunen bei der Einführung eines 365-Euro-Jahrestickets – also pro Tag ein Euro – unterstützt sehen will. „Das ist gar nicht mehr so exotisch“, sagt Liebscher. Wenn im „Klimapaket“ des Bundes von zehn Modell-Kommunen die Rede sei, in denen der 365-Euro-Jahresfahrschein eingeführt werden soll, „dann machen wir eine Initiative, dass Jena eine dieser zehn Kommunen ist.“ So dies denn gelinge, müsse man in Jena auch nicht mehr über einen Kurzstreckentarif reden. Und funktioniere ein landesweiter Verkehrsverbund im Freistaat, „kann man das auch landesweit einführen“, sagt der ehemalige Stadtrat Liebscher. „Wann lasse ich das Auto stehen? Klar, wenn ich eine adäquate Alternative habe!“

Stark machen würden sich die beiden Sozialdemokraten aber auch, dass die Wiesenstraße von der Jenaer Stadtgrenze aus gen Porstendorf verlängert wird. – Ein seit Jahrzehnten unerledigtes Projekt, das Jena-Nord vom B-88-Verkehr entlasten würde, aber wegen der hohen Kosten und der Zuständigkeit des Freistaats klemmt. Liebscher würde zunächst Mittel für Planungsleistungen loseisen wollen. „Das müssen wir noch mal aufrollen“, sagt er. Birgit Green wohnt selbst seit 2006 in dem Stadtteil und weiß: „Der Norden wächst und wächst.“

Wie schauen die beiden auf den Wahlkampf zurück? Und welche Hoffnungen ziehen sie daraus? Sie, die typische Politik-Quereinsteigerin mit ihrer SPD-Mitgliedschaft seit 2015, habe „klassischen Haustür-Wahlkampf“ gemacht, berichtet Birgit Green. Die Leute seien „sehr offen“ gewesen. Sie bleibe optimistisch, dass ihre Partei zehn Prozent der Stimmen einfahre, sagt sie und fügt an: „Jetzt muss mal die Pflege in die Politik.“

Lutz Liebscher hat zum Beispiel ein „Speed-Dating“ mit jungen Leuten in der Paradies-Berufsschule hinter sich. „Alle sieben Minuten eine neue Gruppe.“ Ja, er habe dabei gespürt, dass Politik nicht immer greifbar scheint. „Also gilt für mich: Zuhören, machen, präsent sein.“ Da könne er viel lernen von seinen SPD-Genossen und Ortsteilbürgermeistern in Lobeda und Winzerla, Volker Blumentritt und Friedrich Wilhelm Gebhardt. Schon mit seiner Abschlussarbeit beim Studium zum Thema Bürgerhaushalt habe er sein politisches Denken in dieser Richtung justiert, sagt Liebscher. Deshalb wolle er, wenn er denn in den Landtag einzieht, ein Abgeordnetenbüro in Lobeda offenhalten.