Jena. Fünf Schülerinnen haben eine außergewöhnliche Projektarbeit erstellt: Entstanden sind ein Buch und ein Manga-Comic auf Englisch.
Der Antrieb für das, was die fünf jungen Frauen der zehnten Klasse der Kulturanum-Schule in den vergangenen acht Monaten erschaffen haben, kommt aus einem tiefen inneren Bedürfnis – ein Bedürfnis danach, etwas zu verändern, etwas zu verbessern an der Gesellschaft, in der sie aufgewachsen sind und leben. Sie möchten anderen etwas mit auf den Weg geben.
Die Zwillinge Alina und Lea Schramm (17) sowie die Zwillinge Kristina und Lind Lawliet (Namen geändert/16) und Marie Weinzirl (17) sind Unterstützerinnen der LGBTQ-Szene. Die Abkürzung steht für Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Transgender und Queer. Zumindest zwei der jungen Frauen ordnen sich direkt der Szene zu, die anderen betrachten sich als heterosexuell, wollen jedoch die Szene in ihrem Bestreben nach gesellschaftlicher Akzeptanz unterstützen. „Es ist mir eigentlich egal, wo sich jemand sexuell oder geschlechtlich einordnet – wichtig ist es, glücklich zu sein“, sagt Alina Schramm.
Traditionelle japanische Technik
Als die Projektarbeit der zehnten Klasse anstand, war es für die fünf Frauen naheliegend, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Als Schülerinnen der Kulturanum-Schule konnten sie die Projektarbeit künstlerisch umsetzen und mit einer weiteren Leidenschaft verknüpfen, dem Zeichnen und Lesen von Mangas.
Während das Zwillingspaar Kristina und Lind Lawliet ein 90-seitiges Manga erstellten, schrieben die Zwillinge Alina und Lea Schramm sowie Marie Weinzirl ein Buch. Das Manga erzählt dabei die Vorgeschichte zum Buch – beides wurde auf Englisch verfasst. Entstanden ist ein erstaunlich professionell anmutendes Schülerwerk. „Es gab viele Momente, in denen mir die Tränen kamen, weil ich glaubte, wir können das gar nicht in acht Monaten schaffen. Wir haben viele Nachtschichten eingelegt“, sagt Lind Lawliet. Sie und ihre Zwillingsschwester Kristina haben das Manga-Comic auf traditionellem Weg gestaltet – nach Vorbild der japanischen Manga-Künstler. Dazu benötigt es spezielle Folien, die als Screentone-Paper bezeichnet werden. Die Bilder, die mit einer japanischen Zeichenfeder und Tinte angefertigt werden, werden mit der Folie bedeckt, die dann mit einem Skalpell zurechtgeschnitten werden muss – ein aufwändiger und zeitintensiver Arbeitsprozess.
„Oft saßen wir mit dem Spiegel in der Hand da und zogen Grimassen, um zu sehen, wie wir Gesichtsausdrücke zeichnen müssen“, sagt Lind Lawliet. „Für ein A-4-Blatt benötigten wir etwa sechs Stunden.“ 90 Blätter entstanden, die eingescannt wurden und in Comic-Form professionell gedruckt wurden. Um das Projekt finanzieren zu können, starteten die Mädchen gar einen Kuchenbasar. „Das Screentone-Paper ist teuer und auch andere Zeichenutensilien mussten bezahlt werden“, erklärt Lind Lawliet.
Die Englischlehrerin Niloufar Shabanpour übernahm die Betreuung der Projektarbeit: „Die Mädchen kamen mit einer sehr präzisen Idee. Sie benötigten fast keine Anleitung.“ Als Niloufar Shabanpour die fertige Projektarbeit ihrer Schülerinnen zu Hause auf dem Wohnzimmertisch hatte liegen lassen, habe ihr Mann gefragt, seit wann sie Mangas lese. „Er konnte sich nicht vorstellen, dass das von Schülerinnen gefertigt worden war.“
Schreibblockaden und Zeitdruck
Das Schreiben des Buches sei ebenfalls sehr herausfordernd für Alina und Lea Schramm sowie Marie Weinzirl gewesen. „Die erste Schwierigkeit war für uns, herauszufinden, wie man gemeinsam ein Buch schreibt“, sagt Lea Schramm. „Zu Beginn haben wir versucht, über jeden Satz zu diskutieren, alles auszuhandeln. Das war aussichtslos. Dann probierten wir es kapitelweise. Da kamen wir nicht voran, weil man auf die anderen stets warten musste.“ Letztlich beschlossen die Schülerinnen, einzeln weiterzuschreiben immer, wenn eine der drei Beteiligten Zeit fand.
Doch natürlich habe es auch Schreibblockaden gegeben. „Manchmal grübelte ich ewig über einem Satz“, sagt Lea Schramm. Dass das Buch auf Englisch geschrieben wurde, sei kein Problem gewesen: „Wir lesen im Internet viele Mangas und Geschichten auf Englisch, das ist für uns normal“, so Alina Schramm.
Noch wissen die Schülerinnen nicht, wie ihre Arbeit bewertet wird, doch die Begeisterung ihrer Lehrerinnen lässt sie erahnen, dass sie für ihre Arbeit belohnt werden. Marie Weinzirl sagt nach dieser Erfahrung: „Ich will auf jeden Fall noch ein Buch schreiben. Mir hat es wahnsinnig Spaß gemacht.“
Inhalt: Buch und Manga
Das etwa 80-seitige Buch trägt den Titel „It all began with a sketch“ (Alles begann mit einer Skizze). Die Geschichte eines jungen homosexuellen Mannes, der unter seelischen Verletzungen leidet, die er durch diskriminierende Erfahrungen mit sich trägt. Es geht um die Überwindung von Komplexen, um eine erste funktionierende Liebe. Die Geschichte dreht sich um Toleranz, Unterstützung und Hoffnung.
Das Manga umfasst 90 Seiten, der Titel lautet „Back then“ („Damals“). Es führt in die Vorgeschichte des jungen Mannes, in die Zeit, in der er sich seiner Homosexualität bewusst wird. Eine Coming-Out-Geschichte und gleichzeitig eine Geschichte über Freundschaft und Homophobie und Diskriminierung – mit einem offenen Ende.