Jena. Lore Letsche feierte 100. Geburtstag. Mit 94 Jahren letzten Vortrag gehalten.

Das Lesen und das Schreiben haben ihr erfülltes Leben lange geprägt. Vieles von dem, was die im badischen Pforzheim geborene Lore Letsche sich seit ihrer Jugend angelesen hatte, wollte sie auch ihren Mitmenschen weitergeben, sei es in ihrem Beruf als Journalistin oder auch später als Referentin zahlreicher Vorträge: Lore Letsche wurde gestern 100 Jahre und feierte dies in kleinem Kreis im Vitanas-Seniorenheim „Im Saaletal“ in der Camburger Straße.

Natürlich lag ein wenig der Schatten von Corona auf diesem Jubiläum. So konnte ihr Sohn vom Bodensee nicht kommen. Schließlich gelten ja ältere Menschen als besonders ansteckungsgefährdet. Doch er schickte eine Videobotschaft, die Lore Letsche gestern auf dem Tablet sehen und hören konnte: Sohn, Enkelin und die beiden Urenkel wünschten der Jubilarin alles Gute mit der Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen. Und da huschte doch ein starkes Lächeln über ihr Gesicht, das ansonsten von Ernsthaftigkeit und Würde gezeichnet ist.

Zu den Gratulanten gehörten aber auch die Heimleitung, Mitbewohner sowie einige wenige Gäste, die mit Mundschutz und dem nötigen Abstand Lore Letsche die besten Wünsche überbrachten. So auch der Ortsteilbürgermeister von Jena-Nord, Christoph Vietze, der Vorsitzende des Jenaer Stadtrats, Jens Thomas, Ralf Kleist als Chef des Seniorenbeirats, der auch den Trompeter Albrecht Werner zum Ständchenblasen mitbrachte, und die langjährige Freundin der Jubilarin, Ursula Kozianka. Mit Jens Thomas verbindet Lore Letsche übrigens die gemeinsame politische Heimat, die für beide in der Partei Die Linke liegt. Lore Letsche möchte auch weiterhin bei den Linken Mitglied bleiben, betont sie immer wieder.

Aus der Bundesrepublik in die DDR umgesiedelt

Mit der Sache des Sozialismus fühlt sie sich bis heute sehr verbunden. Das war es auch, was sie 1957 bewegte, gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Schriftsteller und Verfasser von Krimis und Science-Fiction-Romanen, Curt Letsche, aus der Bundesrepublik in die DDR umzusiedeln. Damals waren beide enttäuscht gewesen über die restaurative Politik im Westen Deutschlands. Im Osten glaubten sie, das bessere Deutschland gefunden zu haben. Nach Zwischenstationen in Dorndorf/Rhön und Bad Salzungen lebten die Letsches dann ab 1971 in Jena.

Hier arbeitete sie viele Jahre als Journalistin in der Lokalredaktion der Tageszeitung „Volkswacht“ und berichtete dabei für die Leser des früheren Jenaer Landkreises vom aktuellen Geschehen. Mitte der 1980er Jahre ging sie dann in den Ruhestand, war aber weiter gesellschaftlich sehr aktiv in der Volkssolidarität. Es war ihr immer wichtig, dass man im hohem Alter umsorgt und geschätzt werden sollte. Deshalb organisierte sie Veranstaltungen bei der Volkssolidarität und hielt Vorträge. Es waren Vorträge zum Beispiel über die Frauen von Goethe und Schiller oder über andere literarische und geschichtliche Themen.

Ihren letzten Vortrag, so erzählt Ursula Kozianka, habe sie im Alter von 94 Jahren über Hildegard von Bingen gehalten. Ein Jahr später zog sie, nachdem bereits 2010 ihr Mann verstorben war, ins Seniorenheim, wo sie nun selbst die Fürsorge erhält, die sie anderen gern gegeben hat.

Wünschen wir der Jubilarin, die zwar im Rollstuhl sitzt, sich aber ansonsten ganz gut fühlt, noch viele schöne Jahre. Und dass bald die Corona-Einschränkungen wegfallen, so dass Lore Letsche wieder Besuch von ihrer Familie erhalten kann.