Jena. Das Theaterstück „Knast“ hat einen blinden Fleck sichtbar gemacht – Donnerstagabend spielten die Jenaer Schauspieler in der JVA Hohenleuben.
Draußen kam das Stück gut an, doch was passiert drinnen? Was werden diejenigen empfinden, die sich auf der Bühne selbst erkennen? Am Donnerstag wurde die Inszenierung „Knast“ des Theaterhauses Jena erstmals im Knast gezeigt – vor 50 bis 60 Gefangenen und Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalt Hohenleuben. Das Stück beruht auf Interviews und Gesprächen mit Insassen, die der Gefängnis-Theatergruppe angehören.
Schauspieler Leon Pfannenmüller entwickelte das Stück, das Anfang März am Theaterhaus Premiere feierte und von den Rezensenten hoch gelobt wurde. Gemeinsam mit seinem Team machte Pfannenmüller die Jenaer Bühne zu einem Fenster, das Licht auf eine Welt wirft, die zwar fester Bestandteil unserer Gesellschaft ist, doch Größtenteils im Dunkeln liegt. Pfannenmüller öffnet die Tür, die im Normalfall fest verriegelt bleibt.
Klar sei er aufgeregt, sagt er im Gespräch mit der Redaktion vor dem Auftritt in Hohenleuben, einer der letzten Einrichtungen, in denen sich noch vier bis fünf Strafgefangene eine Zelle teilen müssen. Hohenleuben sei überholt. Die Einrichtung mit ihren 340 Haftplätzen ziehe um – nach Zwickau-Mariental, weiß Pfannenmüller.
Die Institution Gefängnis zeigen
Die Theatervorstellung in der Justizvollzugsanstalt gehöre zum Gesamtkonzept des Stücks. Pfannenmüller sei es wichtig, vor Ort Feedback zu bekommen, deshalb wolle er auch ein Gespräch mit dem Publikum anschließen. Der Schauspieler beschäftigt sich seit seiner Studienzeit mit dem Thema Gefängnis. Damals habe er im Stück „Unter Aufsicht“ von Jean Genet mitgespielt.
Zur Vorbereitung besuchte er das Stuttgarter Gefängnis Stammheim. „Das hat mich ganz schön gerüttelt.“ Vorweihnachtszeit sei es damals gewesen, und in der Einrichtung hätten sich alle auf Weihnachtspost gefreut, doch der Paket-Scanner sei kaputt gewesen – damit sei die Weihnachtspost ausgefallen.
Er habe damals gedacht, dass so etwas nicht passieren dürfe. Wenn man Menschen einsperrt, müsse man auch verantwortungsvoll mit der Strafe umgehen. „Es wurde deutlich, dass vieles am fehlenden Geld hängt.“ Über den Jenaer Sozialarbeiter Oliver Jahn, der mehrfach am Theaterhaus als Musiker tätig war und mittlerweile Kulturamtsleiter in Apolda ist, kam der Kontakt zur Justizvollzugsanstalt Hohenleuben zustande.
Die Idee des Stücks „Knast“: Das Theaterhausteam spielt die Theatergruppe Hohenleuben. Dazu besuchte das Team mehrfach die Einrichtung und sprach mit den Gefangenen. Vorbehalte? Angst vor den Straftätern? „Man wird im Gefängnis auch mit seiner eigenen Naivität konfrontiert“, sagt Pfannenmüller.
„Man begegnet im Gefängnis zunächst erst einmal Menschen – auf Augenhöhe. Meist haben wir erst im Nachgang an die Häftlingsgespräche darüber nachgedacht, dass diese Menschen ja teilweise auch gewalttätig waren, dass es Opfer gibt.“ Die Frage, die über allem stehe, sei, wie jemand für seine Tat Verantwortung übernehmen kann.
Es gebe nicht „den Gefangenen“, so Pfannenmüller. Einige Menschen seien im Gefängnis, weil sie offene Rechnungen nicht begleichen konnten, etwa 80 Prozent der Insassen hätten eine Suchtproblematik, „manche haben Gewalttaten begangen, andere bewegten sich am Rande der organisierten Kriminalität“.
Im Kontakt mit den Insassen oszilliere man zwischen Empathie und Verurteilung der Tat hin und her. Ein Satz der Gefängnispsychologin habe sich ihm eingebrannt: Man müsse die Tat und nicht den Täter verurteilen. Demgegenüber stehe jedoch auch immer das Bedürfnis der Opfer.
Ihm gehe es vor allem um das Sichtbarmachen der Institution Gefängnis als solche. Eine Institution, von der viel verlangt werde. Sie soll Menschen bessern und gleichzeitig strafen. Gefängnis müsse wehtun, disziplinieren und sozialisieren. Das Thema polarisiere extrem. Die Schere spreize sich zwischen der Forderung nach Abschaffung des aktuellen Strafsystems bis hin zu viel härteren Strafen, die als notwendig erachtet werden.
Für die Vorführung in Hohenleuben mussten einige Stückanpassungen vorgenommen werden: „Es gibt eine Ausbruchsszene mit Explosionen und Motorradfahrt um das Theater. Das geht in Hohenleuben nicht. Wir können da keine Explosionen erzeugen“, sagt Pfannenmüller. Stattdessen werden Videoclips eingeblendet.
Im Mehrzweckraum der JVA, der gleichfalls als Sportraum und Kantine diene, wurde „Knast“ am Abend gezeigt. Da das Stück in enger Zusammenarbeit und unter ständigem Feedback der Gefangenen-Theatergruppe Hohenleuben entstand, war Leon Pfannenmüller am Donnerstagvormittag optimistisch, dass die Aufführung im Knast positiv aufgenommen wird.
Freitag, 26. Mai, 20 Uhr (mit Publikumsgespräch), und am Samstag, 27. Mai, 20 Uhr, wird Knast auch am Jenaer Theaterhaus noch mal gezeigt. Das Stück ist an beiden Abenden ausverkauft, eventuelle Restkarten an der Abendkasse.