Kunitz. Bauern im Gleistal haben in diesem Jahr ein Experiment gestartet.

Wenn sich der Nebel auf den Wiesen im Saaletal hebt und die Sonne durchbricht, dann glitzern im Gras die Tautropfen. Das muss schmecken – zumindest den kleinen Ziegen, die am Radweg zwischen Beutnitz und Dorndorf-Steudnitz im kniehohen Grünzeug stehen und genüsslich Gras, Brennnesseln, Scharfgarbe und was sonst noch hier wächst, rupfen und kauen. Wenn allerdings Denise Berz am Elektrozaun zwei kurze Pfiffe ertönen lässt, dann unterbrechen sie ihr Frühstück und laufen ihr entgegen den Hang hinauf. Bei einem weiteren Pfiff und der Aufforderung: „Na los Jungs, kommt mal her“ macht sich auch der letzte Bummler mit flotten Sprüngen auf den Weg. „Man sieht, dass es ihnen gut geht, meinen Jungs, oder?“, fragt die junge Frau und deutet auf die kleine Herde junger Ziegenbocklämmer, die nichts unversucht lassen, sich an Denises Hosenbeinen zu reiben oder ein paar Streicheleinheiten von ihrer Hand zu bekommen.

Denise Berz, die bei der Gleistal Agrar eG die Verantwortung für rund 3000 Milchziegen und ihre Lämmer trägt, hat eine besondere Beziehung zu der kleinen Herde auf der Weide im Saaletal. „Mit diesen 20 Bocklämmern haben wir in diesem Jahr ein Experiment gestartet“, erzählt die gelernte Tierwirtin und studierte Betriebswirtschafterin. „Normalerweise behalten wir nur die weiblichen Lämmer, die in unserem Stall geboren werden, die männlichen Tiere werden nach Frankreich verkauft und dort gemästet. Aber in diesem Frühjahr haben wir 20 Bocklämmer behalten, um sie als vierbeinige Landschaftspfleger einzusetzen“, erzählt sie.

Zu den Flächen, die die Gleistaler Bauern bewirtschaften, gehören viele Hektar Grünland in Hanglage, die maschinell nicht oder nur mit unvertretbar hohem Aufwand zu mähen sind. „Wir haben es mit Rindern versucht und auch mit Eseln, doch beide sind wählerisch, fressen nicht alles, was auf den Wiesen wächst. Einzig die Ziegen putzen alles weg, sogar von den Brombeeren bleiben nur ein paar Strunke übrig“, erzählt Denise Berz. Die 20 Bocklämmer, die im Februar/März geboren wurden und seither auf der Weide sind, haben bis Ende September rund fünf Hektar verbuschte und verkrautete Wiesen „abgemäht“. Was den Landschaftspflegeeffekt angeht, so ist unser Experiment voll gelungen“, freut sich Denise Berz.

Das Gleiche hofft sie auch für den zweiten Teil des Projektes, die Vermarktung des Lamm-Fleisches. „Weil die Lämmer den ganzen Tag auf den Weiden unterwegs sind, nehmen sie auch nicht so massiv zu wie ihre Artgenossen, die im Stall gemästet werden, zudem entwickeln sie viel Muskelfleisch, das als Ziegenbraten von feiner Konsistenz ist“, erklärt die Leiterin des Ziegenstalls. Die Gefahr, dass das Fleisch der etwa sechs Monate alten Tiere einen unangenehmen Geruch und Geschmack „nach Bock“ bekommt, bestehe nicht, versichert sie. „Da die Bocklämmer nie Kontakt zu weiblichen Artgenossinnen haben, produzieren ihre Drüsen auch keine männlichen Hormone, die im Normalfall bei einem Ziegenbock den typischen Geruch verursachen – „den Ziegendamen ungeheuer sexy finden“, erzählt Denise Berz.

Fleisch aus artgerechter Tierhaltung

Für die Vermarktung des Lammfleisches sind die Gleistaler eine Kooperation mit einer Metzgerei in der Region eingegangen. „Wir geben die Tiere zur Schlachtung , wenn sie verkauft sind, wer also Interesse hat, Fleisch von artgerecht gehaltenen Ziegenlämmern zu essen, der sollte sich bei uns melden. Wir verkaufen allerdings nicht nur die Filetstücke, sondern halbe oder ganze Tiere“, erklärt sie. Natürlich bereite der Fleischer die Stücke küchenfertig zu, auch als Rollbraten, oder was der Kunde sonst wünsche. „Wir hoffen, dass wir in Jena und Umgebung genug Kunden finden, die Wert darauf legen, dass die Tiere, deren Fleisch sie später essen, artgerecht gehalten wurden – und die dafür auch einen etwas höheren Preis zahlen“, sagt Berz. Wenn die Nachfrage sich gut entwickle, könnten dann im kommenden Jahr noch mehr Kunitzer Bocklämmer in extensiver Aufzucht gehalten werden. Den verunkrauteten Hängen im Saale- oder Gleistal würden mehr vierbeinige freundlich meckernde Landschaftspfleger auch gut tun.

Denise Berz, dem Chef der Gleistal Agrar eG, Ralf Wickler, und Dirk Senkpiel von der Natura-2000-Station „Mittleres Saaletal“, die sich gemeinsam um eine Förderung des Landes Thüringen für die Ziegen in der Landschaftspflege im Saaleland bemüht haben, wollen bis dahin auch die Hoffnung nicht aufgeben, dass es mit einer finanziellen Unterstützung doch noch klappt. „Wir haben den Förderantrag über das Landesprogramm Naturschutz und Landschaftspflege (Nalap) im Mai gestellt und bisher noch keine positive Antwort bekommen“, erklärt Dirk Senkpiel. Der Verein Ländliche Kerne sei Partner bei dem Projekt und wolle auch Verantwortung für die vierbeinigen Landschaftspfleger übernehmen. Die erste, nur mündliche, Information von der zuständigen Landesanstalt für Umwelt und Geologie sei allerdings negativ ausgefallen – verstehen können das die Landwirte und Naturschützer allerdings nicht.

Interessenten am Projekt und regional erzeugtem Ziegenfleisch können sich bei Denise Berz im Kunitzer Ziegenstall melden: Telefon 0162/73 95 111, E-Mail: mza.kunitz@gleistal-agrar.de