Jena. Die Band „Dicht und ergreifend“ begeistert in der Jenaer Kulturarena mit bajuwarischem Mundart-Hip-Hop - trotz kleinem Handicap.

Kurzzeitig glaubte man sich im Lazarett: Erst klagt Sängerin Nora Steiner von der Vorband „Steiner und Madlaina“ über eine Angina, an der sie seit Montag leidet. Dann rollt auch noch Michael „Mike“ Huber vom Hauptact „Dicht und ergreifend“ im Rollstuhl auf die Bühne. Doch trotz der Handicaps entwickelt sich das Donnerstagskonzert der Jenaer Kulturarena alles andere als zur müden Versehrten-Veranstaltung.

Die zwei Schweizer Folkpop-Musikerinnen „Steiner und Madlaina“ haben trotz Steiners Halsschmerzen beeindruckend kraftvolle Stimmen. Und im Anschluss verstehen es die bajuwarischen Rapper von „Dicht und ergreifend“, das Publikum mitzureißen. Rollstuhl hin oder her.

Fabian Frischmann alias Lef Dutti mit Tubaspielerin.
Fabian Frischmann alias Lef Dutti mit Tubaspielerin. © Marcus Schulze

Michael „Mike“ Huber alias George Urkwell habe sich einen Meniskus-Anriss zu gezogen, verrät Kollege Fabian Frischmann alias Lef Dutti. Er könne zwar laufen, dürfe sich aber nicht allzu stark bewegen, geschweige denn hüpfen. Da erschien dem Mike der Rollstuhl als das kleinere Übel. Mit dem kann er wenigstens so manch gekonnte Drehung vollführen. Und rappen und cool aussehen im Rollstuhl kann er als Hip-Hop-Künstler sowieso.

Nicht-Bayern fällt es schwer, den Sprechgesang zu verstehen

Die Formation „Dicht und ergreifend“ besteht seit sechs Jahren. Die Niederbayern kannten sich bereits, als sie in Berlin ihre Mundart-Truppe gründeten. Job und Studium hatte sie nach Preußen geführt. Mit ihrer Melange aus eingängigen Melodien, mitreißenden Hip-Hop-Rhythmen, inklusive raumgreifender Bläserpassagen, sowie urkomischen Texten können sie sich schnell in der süddeutschen Heimat eine große Fangemeinde errappen. Inzwischen werden ihre Musikvideos, die teilweise bis zu 3,5 Millionen Klicks auf Youtube erzielen, auch im Norden geschaut - auch wenn es Nicht-Bayern schwer fällt, den Sprechgesang der Zwei zu verstehen.

Ihre politischen Botschaften, wie ihre Abneigung gegen AfD und CSU, bringen sie in Jena dennoch zum Ausdruck: In provokanter Rappermanier fordern sie die Zuschauer auf, den Mittelfinger für die beiden Parteien in die Luft zu strecken. Darauf lassen sie ihr bitter-zynisches Lied „Ned dahoam“ folgen, in dem sie gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ansingen. „Fia Flüchtlinge gibts koane Mittel mehr,/ drum gehd da Friedensnobelpreis ans Mittelmeer./ Des hod de meisten Menschen aufgnomma“, heißt es da beispielsweise.

Obendrein geben George Urkwell und Lef Dutti gern Lebensweisheiten weiter: Ihr Song „Wer schwankt hat mehr vom Weg“ etwa ist ein freches Plädoyer dafür, aus dem straighten Alltag auch mal auszubrechen und den ein oder anderen Abend schwankend ausklingen zu lassen.

Die zwei Rapper und ihre drei musikalischen Mitstreiter (Trompete, Tuba, DJ) verstehen es, die rund 1300 Jenaer Gäste im Handumdrehen für sich einzunehmen. Da wird mit dem Publikum im Chor geflucht: „Himmel - Herrgott - Sakrament“. Und es werden Kleidungsstücke wie Lassos durch die Luft gewirbelt. Selbst Zuschauer jenseits der 60 hält es nicht auf den Sitzplätzen.

Am besten aber dürfte der Abend Lennard gefallen haben. Dem Jungen aus dem Publikum bescheren die Niederbayern sein erstes Stagediving-Erlebnis. Einem Rockstar gleich kann er - von den Zuschauern auf Händen getragen - durchs Arenarund gleiten.

Am Sonntagabend endet die diesjährige Kulturarena: Am Samstag bietet das skandinavische DJ-Projekt Den Sorte Skole auf dem Theatervorplatz meisterhafte Sample-Kunst, eingebettet in eine aufwendige Video- und Lichtshow. Am Sonntag soll dort mit Lucille Crew noch ein letztes Mal getanzt werden.

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