Jena. Sanierung Schlegelstraße 3: Mieter und Bürgerinitiative demonstrieren vorm Jenaer Stadtrat. Jenawohnen kontert.
Die Demo vorm Volkshaus ist am Mittwoch im kurzfristig verschärften Corona-Ablauf der Stadtratssitzung ein wenig verebbt. Mieter des Lobedaer Hauses Schlegelstraße 3 und die Bürgerinitiative (BI) Soziales Wohnen wollten auf Unklarheiten der wegen Speckkäfer-Befalls anstehenden Sanierung des Jenawohnen-Gebäudes auch in der Rats-Fragestunde hinweisen. Doch hatte der Hauptausschuss des Stadtrates vorab den Mündlich-Modus der Bürger-Fragestunde gestrichen und auf eine schriftliche Beantwortung aller Fragen durch die Verwaltung hingewiesen.
„Es ist immer gut, wenn saniert wird“, sagte Tamara Schindler von der BI. „Aber wie wird dabei mit den Mietern umgegangen?“ Etwa in der Frage der Ausgleichswohnung „haben wir da von Mietern sehr Unterschiedliches gehört“, die Erkenntnis inbegriffen, dass man sich die Ausgleichswohnung gar nicht leisten könne.
Was Gesprächsangebote in Richtung Jenawohnen betrifft, habe die BI seit drei Wochen keine Rückmeldung. Offenkundig wolle Jenawohnen bei derlei Gesprächen auch keine Mieter dabei haben. „Unser Eindruck ist: Die wollen Gespräche nur im kleinen Kontext.“ Die BI stehe dafür ein, dass die Mieter über ihre Rechte aufgeklärt werden. Auch zweifle die BI den Schädlings-Befund nicht etwa an. „Aber die Gutachten sollen offengelegt werden“, sagte Tamara Schindler.
Sorge um ausgelagerte Sachen
Zu den betroffenen Mietern gehört Karla Herold. Sie lebt in einer Ein-Raum-Wohnung, einer „sehr schönen Wohnung“, sagte sie. „So etwas krieg ich nicht wieder.“ Bislang habe sie gehört, dass ihre Wohnung wegen des Schädlingsbefalls bedampft werden solle. Sie habe Zweifel, dass beim Ausräumen und Lagern des Interieurs nichts wegkommt und alles unbeschädigt bleibt.
Und eine andere Wohnung? Sie habe bei der WG Carl Zeiss recherchiert. „Die Kaution kann ich da nicht bezahlen“, sagte Karla Herold. „Ich fühle mich erpresst.“ Mieter Thomas Friedrich gab Erfahrungsberichte weiter: Man habe es nicht in der Hand, was beim Auslagern mit den Sachen passiert. Auch seien Getränke und Lebensmittel entsorgt worden.
Jenawohnen-Sprecher Gunnar Poschmann sagte auf Nachfrage: „Selbstverständlich reden wir permanent mit den Mietern und versuchen, jeweils eine gute Lösung zu finden.“ Von 88 Mietparteien seien 49 ausgezogen; zehn würden in den nächsten Tagen folgen. Alle Betroffenen bekämen mehrere Angebote. „Und wenn etwas kaputt geht, ersetzen wir es.“
BI inszeniere den Ausnahmezustand
Im Übrigen sei für Anfang Januar ein Gespräch von OB und Stadtwerke-Chef mit der BI vereinbart. „Das wissen die.“ Allein: Jenawohnen wolle Gespräche dieser Ebene nicht mit den Mieter-Gesprächen vermischen. Poschmann sprach die Vernetzung der BI mit einer bundesweiten wohnungspolitischen Bewegung an. Da bestünden „politische Erwartungen der Bürgerinitiative an ein neues Gesellschaftssystem außerhalb der sozialen Marktwirtschaft“. Und das werde Jenawohnen als kommunaler Vermieter nicht erfüllen können.
Die BI sei permanent auf Mobilisierung aus und „inszeniert den Ausnahmezustand“, sagte Poschmann, „um sich als Beschützer zu präsentieren und ihre Idee von einem anderen politischen System zu platzieren. Ich wünschte mir, sie würde dazu nicht unsere Mieter instrumentalisieren.“