Jena. Ute Bergner und Philip Riegel treten in Jena für die FDP zur Landtagswahl an und spannen den Bogen vom Nahverkehr bis zur Bildung

Es muss etwas mit Ute Bergners 27-jähriger Erfahrung als Unternehmerin rund um ihre Vakuumtechnik-Firma Vacom zu tun haben! – Als Landtagsmitglied für die FDP würde Ute Bergner nicht ewig um den theoretischen Brei kreisen, sondern gleich in die praktische Offensive gehen wollen. Heißt: Das Neid-Denken innerhalb von Thüringen – Schon wieder Jena! – „hat mich schon immer gestört“, sagt sie, die zur Wahl im Wahlkreis 38 antritt. „Thüringen muss sich als Netzwerk verstehen.“ Und so treibt die promovierte Physikerin die Idee einer S-Bahn zwischen Camburg und Kahla um, dies „als eine Keimzelle“ für mehr thüringische Einheit. „Die Schienen dafür existieren; man muss nur noch die S-Bahn-Wagen draufsetzen. Innerhalb einer Legislatur ist das umsetzbar.“

Und ja, die S-Bahn-Vision zeige doch, wie alles mit allem zusammenhängt und dass „Querdenken wichtig ist“. Stichwort Wohnraum: „Jena kann wachsen, wenn Jena gut angebunden ist. Wie könnte sich dann zum Beispiel die tolle Stadt Kahla entwickeln.“ Beim gemeinsamen Blick auf Wohnpolitik ließen sich Mieten besser in Grenzen halten, indessen Ute Bergner sich für die viel diskutierte Mietpreisbremse nicht erwärmen kann: „Vor 30 Jahren haben wir uns mühsam von so etwas befreit.“ Die Suche nach Bauflächen wiederum erfordere den regionalen Blick – innerhalb der Stadt gebe es eben Grenzen: „Wo ein Körper ist, kann kein zweiter sein.“ Ja, mit derlei Wegen könne Jena eine Multiplikatorrolle zufallen. Auch für Pößneck oder etwa Weimar kann sich Ute Bergner das S-Bahn-Prinzip vorstellen, dann aber bitte mit Halt „in jedem Dorf, wo es noch ein Wartehäuschen gibt“.

Philip Riegel, der Landesvorsitzende der Jungen Liberalen, tritt in Jena im Wahlkreis 37 für die FDP an. Der gebürtige Zwickauer arbeitet zwar als Lehrer an einer Erfurter Gemeinschaftsschule, doch ist er Jena nicht zuletzt dadurch verbunden, dass er sein Lehramtsstudium an der Friedrich-Schiller-Universität absolvierte.

Schulleitung auf zwei Köpfe verteilt

Und er weiß um die besondere Jenaer Bildungslandschaft, um die ausgewählten kommunalisierten Schulen. Auf den Lehrermangel sei er im Wahlkampf oft angesprochen worden, sagt Riegel. Und er sieht zur Abhilfe in einem höheren Maß „eigenverantwortliche Schule“ als wichtigen politischen Hebel. Das müsse sich auf personelle Belange beziehen und ebenso auf die inhaltlich-pädagogische Freiheit. „Diese Eigenverantwortlichkeit ist doch auch an staatlichen Schulen der Hauptpunkt“, sagt Philip Riegel. Und gerade bei der Ausgestaltung der Digitalisierung könne das von Vorteil sein. Vielerlei ließe sich aus Riegels Sicht in bessere Bahnen lenken mit einer neuen Art der Führung von Schulen: mit jeweils einem pädagogischen und einem kaufmännischen Schulleiter.

Ute Bergner modifiziert dies alles ein wenig, weil doch manch ein Direktor Angst vor Selbstverwaltung habe. „Aber jeder Direktor wäre happy, hätte er die Personalhoheit.“ Jeder Direktor müsse entscheiden dürfen, wen er braucht für sein Konzept. Philip Riegel berichtete, dass er sich im Praxissemester während des Studiums nach dem Konzept für seine heutige Schule beworben habe.

Aber wird mehr eigenverantwortliche Schule nicht noch mehr junge Leute in die Städte ziehen? Ute Berger glaubt, dass – nicht allein auf junge Lehrer bezogen – der Drang in die Städte „künstlich gepusht“ wird; es gebe auch bei jungen Leuten das Sehnen nach Natur und Ruhe. Und da schließt sich für sie wieder der Kreis zum Nahverkehr. – Die Menschen müssten anders denken lernen über Digitalisierung. Zum Beispiel durch das Messen von Bewegungsströmen werde sich Nahverkehr bedarfsgerechter denn je einrichten lassen. Es gehöre also etwas anderes dazu als die Kostenlos-Offerte. Öffentlicher Nahverkehr müsse attraktiver sein als Individualverkehr – „statt Autofahrer zu schikanieren“.

Ute Bergner hat den großen Rahmen vor Augen, wenn sie an die Herausforderungen der Digitalisierung denkt. Hier stehe eine große gesellschaftliche Transformation bevor, die im Denken weg von der Hierarchie und hin zum Netzwerk führe.

Nein, ihr ist es nicht bange um den Einzug der FDP in den Landtag. Mit den Prognosen, dass die Liberalen womöglich an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern könnten, stimmten ihre Wahlkampf-Gespräche mit den Bürgern nicht überein, sagt Ute Bergner, die auf Listenplatz 3 ihrer Partei steht. Ohnehin habe sie das ehrgeizige Ziel, in ihrem Wahlkreis das Direktmandat zu holen. Philip Riegel besetzt Listenplatz 7 und weiß, dass die FDP sieben Prozent der Stimmen holen müsste, damit er in den Landtag einzieht. „Im Wahlkampf gehe ich trotzdem überall hin.“