Jena. MLPD sieht sich auf den Spuren von Marx und Lenin. Sie will die Arbeiterklasse mobilisieren und die Ausbeutung abschaffen

Ganz realistisch betrachtet sind die Chancen der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) bei der Landtagswahl verschwindend gering. Dem Enthusiasmus der beiden örtlichen Direktkandidaten Anatole Braungart und Jonas Riese tut das keinen Abbruch. Denn nach deren Auffassung können ohnehin nur revolutionäre Lösungen die allseitige Krisenhaftigkeit des Kapitalismus an der Wurzel packen.

„Bei der Wahl haben wir vor allem zwei Probleme“, sagt Anatole Braungart. Zum einem glaubten viele Wähler, dass ein Kreuz bei der MLPD nichts bewirken könne. Zum anderen verknüpften viele Menschen das MLPD-Vokabular mit dem, was in der DDR bis 1989 gelaufen sei. Dabei sei dies eben kein Sozialismus gewesen, vielmehr habe eine Clique von Bürokraten Verrat an Marx, Engels und Lenin geübt, sagt Braungart.

Was würde der Sozialismus für Jena bedeuten? Die Wohnungsfrage solle im Sinne der Bevölkerung gelöst werden. Zwar zählen Braungart und Riese Jenawohnen nicht zu der Gruppe der Wohnungskonzerne, die es zu enteignen gelte. Viel genauer hinschauen müsse man aber schon, was Miethöhen und Neubau betreffe. Braungart hätte selbst gern eine Wohnung in Jena, da er hier arbeitet. Er wohnt aber in Apolda, weil er in Jena nichts gefunden hat.

Daran schließt sich das Thema Infrastruktur an. Die MLPD will in Bus und Bahn nicht nur mehr Geld reinstecken, sondern sie will den öffentlichen Personennahverkehr komplett kostenlos machen. Das Auto stelle für die Zukunft nicht die Lösung der Probleme dar, auch wenn der Schichtarbeiter heute noch darauf angewiesen sei, falls er aus Apolda morgens nach Jena müsse.

Das bedeute freilich, dass die Kommunen besser mit Geld ausgestattet werden müssten. Das soll wiederum von den Großkonzernen kommen. Das ist auch die Quelle, aus der die MLPD Investitionen in den Umweltschutz finanzieren will – bis hin zur Rettung des Thüringer Waldes. Gerade die Umweltpolitik des echten Sozialismus habe in der revolutionären marxistisch-leninistischen und Arbeiterbewegung ihre Anfänge gehabt.

Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, schlägt Jonas Riese eine zehnprozentige Ausbildungsquote in den Großbetrieben vor.

Ferner würde die MLPD noch entschiedener gegen rechtsextreme Kräfte vorgehen. So seien es zuletzt das internationalistisches Bündnis und Vertreter der Internationalistischen Liste/MLPD gewesen, die beim Verwaltungsgericht Meiningen dem Beschluss erwirkt hätten, dass AfD-Chef Björn Höcke als Faschist bezeichnet werden dürfe. „Wir sind die einzige Partei, die gegen den insgesamt strammen Kurs nach rechts wirklich klare Kante zeigt“, sagt Jonas Riese. Der Faschismus habe seine Wurzeln im Kapitalismus.

Die Thüringer Linke kam beim Zeitungsgespräch ebenfalls nicht gut weg. Bezeichnend sei an den Wahlplakaten von Ministerpräsident Bodo Ramelow, dass da nicht einmal der Name der Partei draufstehe, für die er antrete, so Jonas Riese. Bei vielen Themen, mit denen die Linke 2014 gestartet sei, habe die Partei versagt. Den „reichlichen Platz“ links neben der Linkspartei will die MLPD einnehmen.

Die revolutionär-marxistische MLPD unterscheidet sich von anderen linksextremistischen Gruppen dadurch, dass sie – neben der Orientierung an Karl Marx, Friedrich Engels und Wladimir Iljitsch Lenin – auch Mao Tse-tung und Josef Stalin positive Seiten abgewinnt. Ihre grundsätzliche Systemkritik führt dazu, dass die Partei vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Die hohe Einsatzbereitschaft und Eingebundenheit der Mitglieder sowie eine für ihre Größe nach wie vor vergleichsweise gute finanzielle Situation fallen dabei auf. Zu sehen ist das in Jena daran, dass die MLPD so viele Plakate wie kaum eine andere Partei an den Straßen hängen hat.

Karl Marx hat dereinst an der Uni Jena seinen Doktortitel erlangt. Unabhängig von der Frage, ob die Büste wieder aufgestellt werden sollte oder nicht, ist Anatole Braungart bei der Jubiläumsveranstaltung im letzten Jahr vor allem dies aufgestoßen: Die Marxschen Analysen hätten im Programm zwar breiten Raum eingenommen. Mit den Schlussfolgerungen, die Karl Marx dereinst zog, hätte sich aber kaum wer befasst. Den Kapitalismus gelte es viel stärker zu hinterfragen und letztlich zu überwinden.

Was passiert, falls die MLPD die Fünf-Prozent-Hürde überwindet und in den Landtag einzieht? „Wir wollen die ­Menschen noch mehr als bisher ermutigen, sich selbst zu organisieren und sich zusammenzuschließen. Besonders gelte es die Selbstorganisation der Frauen und die Gewerkschaften zu stärken“, sagt Riese. Die Sorge, dass sich nach einigen Jahren im Parlament die Sache mit der Revolution erledigt hat, haben er und Braungart nicht. Die Partei hat Vorkehrungen getroffen: Diäten würden im Falle einer Wahl komplett abgeführt und der Abgeordnete würde wie ein Facharbeiter entlohnt. Das fördert die anhaltende Verbundenheit mit der Arbeiterklasse.