Kommentar: Thorsten Büker über den 9. November und einen Oberbürgermeister, der auch Radfahrer mag.

„Ich schäme mich dafür.“ Die emotionale Wucht des Satzes ist gewaltig. Er stammt von Superintendent Sebastian Neuß, der in seinem Wort zum Sonntag den neuen, alten Antisemismus geißelt und Zivilcourage der Bürgerschaft einfordert, um Menschenhass zu bekämpfen. Natürlich, der 9. November steht für das Pogrom von 1938, aber auch für die friedliche Revolution im Herbst 1989. Der deutscheste aller Tage, mit Licht und Schatten, grenzenloser Freude und unermesslichem Leid. Was überwiegt heute? Das vermag einjeder für sich zu beantworten. 30 Jahre nach der Einheit ist diese allerdings Bürgerschaft zerrissener denn je.

Es wächst zusammen, was zusammengehört: Das gilt nun auch für den Nahverkehr und die JES GmbH, die bis 2021 fusionieren sollen. Kein leichtes Unterfangen. Auch wenn keiner der Akteure am Mittwoch von einem Stellenabbau sprach, dürfte dieser wahrscheinlich sein. Immerhin sind die Zeiten Volkseigener Betriebe lange vorbei und die Wirtschaftlichkeit ist das Primat des Handelns, auch wenn der Busverkehr immer ein Zuschussgeschäft bleiben wird. 6 Millionen Euro waren es im vergangenen Jahr bei einem Umsatz von 21,8 Millionen Euro. Was passiert eigentlich, wenn die Forderung nach einem kostenlosen Nahverkehr so richtig auf Touren kommt?

Daraus folgt: Es wird keine leichten Verhandlungen mit dem Betriebsrat geben. Während die Jenaer Seite am Mittwoch übrigens von Fusion sprach, war es der Landrat, der mit dem Wort Kooperation etwas vorsichtiger in seiner Wortwahl war. Am Ende entscheiden die politischen Gremien: Stadtrat und Kreistag.

Dass Thomas Nitzsche ein OB der Autofahrer sein soll, dieses Bild bekommt erste Risse. In seiner wöchentlichen Videobotschaft sprach er davon, den ÖPNV stärken zu müssen – schon allein wegen der anstehenden Investitionen und der vielen Baustellen, die den Individualverkehr lahm legen dürften. Wer am späten Nachmittag auf Jena Straßen unterwegs ist, erkennt: Flüssig sieht anders auch. Tempo 30 gilt ab dem 1. Januar in der Karli. Und im Damenviertel sollen die Bedingungen für den Fuß- und Radverkehr verbessert werden. So will es ein Bürgerantrag, der im Stadtrat eine Mehrheit bekam. Vielleicht postet Jenas OB einfach zu viele Bilder auf Facebook, die ihn als Radfahrer zeigen.