Mühlhausen. Seine Leser interessieren sich vor allem für die DDR-Zeit. Der Erfurter Autor Mirko Krüger liest nun wieder in Mühlhausen aus seinem neuen Buch mit 21 authentischen Kriminalfällen.

Mord ist und bleibt Mord, sagt Mirko Krüger. Und, dass Verbrechen leider immer wieder vorkommen. Der Journalist und Autor aus Erfurt betrachtet in seinem Buch „Tatort Thüringen – Wahre Verbrechen“ 250 Jahre Kriminalität in 21 authentischen Fällen – vom kleinteiligen Thüringen über Kaiserreich, Drittes Reich, DDR bis zur Gegenwart.

Am Freitag, 26. April, ab 19 Uhr, nimmt er sein Publikum in der Stadtbibliothek Mühlhausen (Jakobikirche) mit auf eine Krimi-Reise durch die Jahrhunderte und verwandelt den Kur-Ort vorübergehend in einen Tat-Ort. Wir haben mit Mirko Krüger über sein Buch gesprochen.

Herr Krüger, wie stehen Sie zu Mord und Totschlag – fasziniert oder angewidert?

Es wäre schön, wenn ich solche Bücher nicht schreiben müsste. Doch Gewalttaten gab es schon in der Steinzeit, was Wissenschaftler an Knochenfunden nachgewiesen haben. Ich beschränke mich aber auf die letzten 250 Jahre.

Der älteste Fall in Ihrem Buch?

Das ist der Winckelmann-Mord. Goethe hat unter dem Verlust des deutschen Archäologen lange gelitten. Deshalb ist mir dieser Fall sehr wichtig. Goethe war ein Verfechter der Todesstrafe. Ein oftmals überraschender Fakt für meine Leser.

Im Geleit zu Ihrem Buch werfen Sie die Frage auf, ob man Mörder hinrichten soll oder nicht. Was glauben Sie, sollte man?

Nein. Ich glaube, eine Gesellschaft hat andere Möglichkeiten, sich auf humane Weise zu schützen. Zum Beispiel durch lebenslange Haft. Lebenslänglich bedeutet bei uns 15 Jahre. Der Entlassungsprozess dauert aber länger, weil er an viele Voraussetzungen gebunden ist.

Der berühmte Schriftsteller Theodor Storm (Der Schimmelreiter) war als Richter an Todesurteilen beteiligt. Sollte man seine literarischen Werke ignorieren?

Das muss man sauber trennen. Er sprach die Urteile nicht willkürlich, die Todesstrafe war damals rechtens. In Briefen an seine Verwandten in Norddeutschland beklagt er sich über die Grausamkeit seines Berufes. Storm war Beamter und Richter sein Brotberuf. Meist hatte er mit Holzdiebstählen zu tun, harte Kriminalität gab es eher selten. Vielleicht ist es ein Trost: Das Recht der Begnadigung wurde zu dieser Zeit oft ausgeübt, mehr als die Hälfte der zu Tode Verurteilten wurden nicht hingerichtet.

Ihr emotionalster Fall?

Der Fall Sandro Beyer aus Sondershausen. Drei Jugendliche hatten den 15-jährigen Schüler 1993 auf abscheuliche Art getötet. Der Fall wurde in Mühlhausen verhandelt. Kriminalfälle der Gegenwart, mit denen ich Berührung habe, machen mich oft stark betroffen. Wenn ich junge Fälle recherchiere, spreche ich mit Beteiligten. Im Fall von Sandro Beyer habe ich mich stundenlang mit seiner Mutter unterhalten. Wir haben beide geweint.

Was ist da schief gegangen?

Nach der Wende explodierten die Kriminalitätszahlen. Geschuldet war das einem gesellschaftlichen Umbruch mit viel Orientierungslosigkeit, denn viele Menschen hatten ihren Job verloren. In Sondershausen bildete sich eine schwarze Szene. Hinzu kommt, dass in diesem Zeitraum etwa 20.000 hiesige Straftäter durch Amnestien auf einen Schlag freikamen.

Thema Fälschungen. Was macht Ihrer Ansicht nach eine gute Kopie aus?

Ich weiß nicht, ob ich Fälschungen gut finden soll. Schon früher wurden damit knallharte Geschäftsinteressen verfolgt. Bei Schiller zum Beispiel sind Briefe und Notizzettel betroffen. Dazu kann man bis 17. März im Goethe- und Schiller-Archiv Weimar die Ausstellung „Mit fremder Feder. Der gefälschte Schiller“ besuchen. Um 1850 hatte der Architekt Heinrich von Gerstenbergk hunderte Autografen Schillers gefälscht und verkauft.

Ein weiterer Aspekt in Ihrem Buch: Kindstötung. Können Sie diesen Frauen Verständnis entgegenbringen?

Ich kann mich gut in die Lage von Frauen vor 200 Jahren hineinversetzen. Mit einem unehelichen Kind wurden sie gesellschaftlich geächtet, mussten sogar Haftstrafen verbüßen. Einträge in Kirchenbüchern bezeichnen ihre Kinder als „unecht“. Pestalozzi schrieb in seinen Aufsätzen, dass die Gesellschaft daran schuld sei. Die Verantwortung liege beim Staat. Überliefert ist, dass eine geköpfte Kindsmörderin für Studienzwecke ans Anatomische Institut nach Jena zu dem Mediziner Justus Loder überstellt wurde. Dieser beklagte sich darüber, dass die Frau im Gefängnis wohl zu gut ernährt worden und ihm deshalb nur bedingt dienlich sei. In Jena konnte auch der „Macheten-Mörder“ von Apolda dingfest gemacht werden.

Strychnin in der Sammeltasse beim Kaffeekränzchen. Ist Giftmord tatsächlich ein Frauen-Ding?

Ich möchte das nicht quantitativ werten, weil mir dazu keine Daten vorliegen. Das ist mir sehr wichtig: Ich mache niemandem etwas vor. Wenn ich Zweifel habe, sage ich das. Es ist mir zuwider, wissentlich etwas Falsches zu erzählen.

250 Jahre – welche Zeit interessiert Ihre Zuhörer in den Lesungen am meisten?

Die DDR- und Nachwendezeit. Hier sei der Kreuzworträtselfall aus dem Jahr 1981 hervorgehoben, der später in einer Folge von „Polizeiruf 110“ verfilmt wurde. Der Täter wurde in Thüringen festgenommen. Die Polizei wertete damals mehr als eine halbe Million Schriftproben aus, weil im Koffer mit einem toten Kind gelöste Kreuzworträtsel gefunden worden waren. Bis heute ist das die weltweit größte Schriftanalyse. Ich halte das für sehr durchdachte, hervorragende Polizeiarbeit. Der Fall zeigt, dass in der DDR solche Verbrechen nicht verschwiegen wurden.

Anders dagegen die Kunstraube in Gotha und Altenburg. Da war die Polizei weniger hervorragend?

Leider ja. In Gotha erlaubten sich Polizei und Stasi eklatante Ermittlungsfehler, gingen äußerst nachlässig vor. Eigentlich hätte sie nur einem sehr konkreten Nachweis nachgehen müssen. Das Auto inklusive Kennzeichen war bekannt. Außerdem hatte der Täter – ein Schmied – ein Steigeisen hinterlassen, dass seinem Betrieb zugeordnet werden konnte. In Altenburg gingen die Täter ähnlich vor. Im Gegensatz zu Gotha sind die dort gestohlenen Kunstgegenstände aber bis heute verschwunden.