Stadtroda. Die Arie „Wenn ich einmal reich wär“ gehörte beim Frühjahrsempfang zum Kulturteil. Wir fragten Gäste, wie sie mit einem plötzlichen Geldsegen umgehen würden.

Sehen und – im feinen Stöffchen – gesehen werden, diese Gelegenheit nutzten am Freitagabend etwa 100 Gäste des Frühjahrsempfanges der Stadt Stadtroda im Schützenhaus. Persönlichkeiten mit Rang und Namen – von Feuerwehr über Kirche bis Politprominenz – waren der Einladung gefolgt. Von 260 geladenen Gästen hatten 140 zugesagt. Trotzdem blieben etwa 40 Plätze am Freitag unbesetzt. Dass Landrat Andreas Heller nicht unter den Gästen war, kam bei einigen nicht gut an. Vielleicht wolle er für die Wanderung mit Bürgern und offizielle Termine am Folgetag seine Kräfte schonen, trugen Insider zur Ehrenrettung bei.

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Freitag, 18 Uhr. Schick haben die Gastgeber den Festsaal für den Empfang herrichten lassen. Über allem liegt ein Hauch von Großzügigkeit: weiß eingedeckte Tafeln, Stühle mit schneeweißen Hussen, Sektempfang und Bierausschank, im Foyer ein kalt-warmes Bufett mit Antipasti, Apfel-Lauch-Salat, Kichererbsen-Bratlingen, Scholle, Geschnetzeltem, Böhmischen Knödeln sowie als Dessert Panna Cotta und zwei Arten von Mousse. Für Unterhaltung sorgt die Stadtrodaer Außenstelle der Kreismusikschule.

Weil viele Menschen derzeit Kriegsangst umtreibt, singt Marie Seidel „Wir ziehen in den Frieden“ von Udo Lindenberg. Zum Repertoire gehört auch „Anatevka“, deren berühmte Arie „Wenn ich einmal reich wär“ die Autorin dieses Beitrages veranlasst, unter Gästen der Veranstaltung eine Umfrage durchzuführen (siehe Infobox).

Musikschülerin Marie Seidel singt „Wir ziehen in den Frieden“ von Udo Lindenberg. Begleitet wird sie von Cellistin Ute Adler, Leiterin der Außenstelle Kreismusikschule Stadtroda, und Musikpädagogin Andrea Preuß. 
Musikschülerin Marie Seidel singt „Wir ziehen in den Frieden“ von Udo Lindenberg. Begleitet wird sie von Cellistin Ute Adler, Leiterin der Außenstelle Kreismusikschule Stadtroda, und Musikpädagogin Andrea Preuß.  © Funke Medien Thüringen | Jana Scheiding

Reden sind bei solchen Empfängen unvermeidlich, in Stadtroda fasst man sich angenehm kurz. Den Anfang macht Gastgeber Klaus Hempel (Freie Wähler), Bürgermeister von Stadtroda. Er eröffnet mit einem Appell für einen fairen Wahlkampf. Überhaupt, die Wahlen. So wie die Nordsee nichts ohne das Wasser aus dem Flüsschen Roda wäre (das über Saale und Elbe dort mündet), „ist Europapolitik nichts ohne Ihre Stimme“, sagt Hempel.

Politiker würden nicht nur daran gemessen, was sie tun, sondern auch daran, was sie nicht tun. „Die Menschen registrieren das“, glaubt der Bürgermeister. Geld spielt nicht nur im täglichen Leben, sondern auch an diesem Abend eine Rolle. „Trotz Haushaltssicherung hat sich die finanzielle Situation Stadtrodas verbessert“, berichtet das Stadtoberhaupt. So liege die Verschuldung pro Einwohner derzeit bei 536 Euro, während sie im gesamten Holzland-Kreis bei 734 und thüringenweit bei 1265 Euro liege.

Stadtroda auf Erfolgskurs

Stadtroda auf Erfolgskurs? „Die Umgestaltung der Touristinformation ist fast vollendet“, sagt Hempel. Im August eröffne ein Lebensmittel- und Drogeriemarkt im DRK-Marktquartier sowie ein Sanitätshaus in der Innenstadt.

Nach dem Gastgeber darf Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) ans Mikrofon. Ein Pult zur Ablage seiner Notizen benötigt er nicht – er hat keine dabei. „Hochwohllöbliche Festgemeinde“ spricht er das Publikum an und erntet dafür Applaus. In Stadtroda sei er schon einige Male gewesen, natürlich nicht, ohne mit dem Bürgerbus zu fahren. „Ich erzähle jedem in Thüringen, wie sich darüber kommunizieren lässt. Faszinierend.“

Ein Blick in den edel geschmückten Saal des Schützenhauses. Leider waren einige Plätze frei, weil etwa 40 Gäste der Veranstaltung fernblieben, obwohl sie zugesagt hatten. 
Ein Blick in den edel geschmückten Saal des Schützenhauses. Leider waren einige Plätze frei, weil etwa 40 Gäste der Veranstaltung fernblieben, obwohl sie zugesagt hatten.  © Funke Medien Thüringen | Jana Scheiding

Ramelow: Bei streitbar fällt ihm Wolfgang Fiedler ein

Zur Kommunikation gehören Debatten. Nach Corona müsse man wieder zu kulturvollen Debatten und Streitgesprächen zurückfinden, fährt Ramelow in seiner Ansprache fort und stellt die rhetorische Frage: „Warum fällt mir dabei Wolfgang Fiedler ein?“ (CDU-Bürgermeister von Tröbnitz, Anm. d. Redaktion). Er und Fiedler seien wie „Schlump und Latsch. Wenn man Wolfgang vorn aus der Staatskanzlei wirft, kommt er hinten wieder rein“, um die Interessen für seine Region durchzusetzen.

Der Streit um die Baustelle in Quirla sei auch in Erfurt angekommen. „Ich habe die Wut der Menschen verstanden. Wenn plötzlich die Zufahrt zum Geschäft geschlossen ist. Aber es muss sein.“ Was Stadtroda habe, was Jena nicht hat? „Bauland“. Diese Tatsache werde die Kleinstadt zusätzlich aufwerten, ist sich Ramelow sicher. Nicht nur Stadtroda, ganz Thüringen schreibe Erfolgsgeschichten, weiß der Ministerpräsident und zählt sogleich zwei Beispiele auf: Die Millioneninvestition in Griesson-De Beukelaer in Kahla und dass jede zweite Flasche aus Thüringen stamme. „Ich meine natürlich Glasflaschen“, schiebt er nach, als Gelächter im Saal ertönt.

Schützenhaus wird energetisch saniert

Zurück zur Gastgeberstadt. Das Schützenhaus sei für Stadtroda eigentlich viel zu groß, sagt Ramelow. „Aber es ist die gute Stube. Hier haben viele Stadtrodaer tanzen gelernt.“ Eigentlich habe das Haus eine Generalsanierung nötig und auch verdient, doch alles mit einem Mal könne nicht realisiert werden. „Wir beginnen mit der energetischen Sanierung“, nennt Ramelow den ersten Schritt. Das ist doch immerhin schon mal etwas.

Was würden Sie tun, wenn Sie reich wären?

Während im Kulturteil auf der Bühne des Schützenhauses die Arie „Wenn ich einmal reich wär‘“ aus „Anatevka“ gespielt wurde, fragten wir Gäste, was sie täten, wenn sie plötzlich über sehr viel Geld verfügen könnten.

Benny Hofmann (Bürgermeister Hermsdorf): „Ich würde die Gebühren für Kindertagesstätten abschaffen, den Straßenbau vorantreiben und Steuererleichterungen für Bürger ermöglichen.“ Johann Waschnewski (Vize-Landrat und Bürgermeister Bürgel): „Ich würde in Schulen, Straßen und den Brandschutz investieren, aber auch in Gesellschaft und Kultur“. Constanze Möbius (bis 30. Juni VG-Vorsitzende Hermsdorf): „Ich ziehe Glück jederzeit dem Reichtum vor.“ Klaus Fickler (Stadtrat Stadtroda): „Ich würde Stadtroda aus der Haushaltssicherung holen sowie in Feuerwehr, Freibad, Bibliothek und Sportstätten investieren.“ Beate Bock (Vorsitzende Seniorenbeirat Stadtroda): „Ich würde eine lange Reise machen, aber Beiratsvorsitzende bleiben.“ Annkatrin Vetter (Hauptamtsleiterin Stadtroda): „Ich würde in die medizinische Forschung und soziale Projekte investieren, zum Beispiel einen Jugendclub einrichten und finanziell schlecht gestellte Senioren unterstützen.“ Andrea Preuß (Musikpädagogin Kreismusikschule SHK): „Ich habe Familie, drei glückliche Kinder, ein schönes Haus, mehr brauche ich nicht.“ Daniela Geldhäuser (Kämmerin Stadtroda): „Ich glaube, ich würde weiterleben wie bisher, nur beruhigter.“