Sakhir. Lewis Hamilton wird in dieser Formel-1-Saison gleich doppelt hinschauen: auf sein aktuelles Team, aber auch auf sein künftiges. Welche Gefahren birgt die durchaus pikante Situation?

Lewis Hamilton macht sich auf einen langen und schweren Trennungsschmerz gefasst. „Jede Woche wird emotional“, sagte der 39 Jahre alte Superstar der Formel 1 vor dem Saisonauftakt in der Wüste von Sakhir. Es wird die erste von 24 Stationen seiner Abschieds-Welttournee mit Mercedes sein. Ab dem 1. Januar 2025 trägt Lewis Hamilton Rot - dann fährt der siebenmalige Weltmeister für Ferrari.

Nicht einmal seinen Eltern hatte er von der Entscheidung, die die Motorsport-Königsklasse in mächtige Aufruhr versetzte, vorher berichtet. Ein Kindheitstraum sei es, hatte Hamilton unter anderem gesagt. So oder so ähnlich spricht praktisch jeder Pilot, der es einmal zu dem Rennstall schafft, der als einziger seit dem WM-Beginn 1950 ununterbrochen dabei ist und eine weltweite Faszination an den Rennstrecken auslöst wie noch immer kein anderes Team.

Wie Schumacher, wie Vettel, wie Alonso - die rote Versuchung

„Es gibt viele Märchen über Ferrari und wie es sich anfühlt, ein rotes Auto zu fahren. Ich kann diese Geschichten nur bestätigen“, sagte Sebastian Vettel einmal. Auch er erlag dem Mythos, auch er erlag der roten Versuchung aus Maranello. Auch er, der viermalige Champion, blieb ohne weiteren WM-Erfolg. Wie vor ihm der zweimalige Champion Fernando Alonso.

Der reine Blick auf die Titelsammlung seit 1980 ist keine Werbung für den Rennstall: gerade mal fünf Fahrertitel in mehr als vier Jahrzehnten. Vier davon holte Michael Schumacher (2000 bis 2004), den fünften und bis dato immer noch letzten Kimi Räikkönen (2007), als er vom Riesenzoff zwischen den damaligen McLaren-Fahrern Hamilton und Alonso profitierte.

Hamilton wäre der Größte bei einem Titeltriumph mit Ferrari

Hamilton, das ist unstrittig, würde sich über alles erheben, wenn ihm das WM-Wunder im Ferrari gelingen und er vor Michael Schumacher zum alleinigen Rekordhalter mit acht Triumphen würde. Wie wahrscheinlich das ist, muss sich erst noch zeigen. Wie sehr das kommende Jahr schon diese Saison überstrahlt, wird auch im Fahrerlager in der Wüste von Sakhir schon deutlich.

Charles Leclerc, die Ferrari-Langzeithoffnung, wurde gefragt, wie es sein würde, mit dem erfolgreichsten Piloten der Formel 1 in einem Team zu fahren. Und Carlos Sainz, der das Cockpit bei der Scuderia für Hamilton räumen muss, durfte erklären, wie es ihm dabei geht. „Ich hätte dasselbe in seiner Position getan“, sagte der 29 Jahre alte Spanier: „Ich habe keine bösen Gefühle ihm gegenüber.“

Gleichwohl birgt die Konstellation Risiken und auch Gefahren. Sainz hat letztlich nichts mehr zu verlieren, er fährt um einen Vertrag bei einem anderen Team, im besten Fall sogar bei einem anderen Top-Team. Und Hamiltons Stallrivale George Russell könnte der neue starke Mann bei Mercedes werden. Mit einem bemerkenswerten Zögern erklärte Hamilton, dass er ihm dies zutraue. Russell wird das in diesem Jahr auf der Strecke beweisen wollen.

Hamilton: „Ich bin hier, um abzuliefern“

Ob Hamilton und Russell im Mercedes oder Leclerc und Sainz im Ferrari - sie alle eint ein Ziel: Max Verstappen zu stoppen. Der 26 Jahre alte Niederländer, der erst einmal in seiner bereits hochdekorierten Karriere ein Auftaktrennen gewonnen hat, will Titel Nummer vier in Serie. Und danach am besten Nummer fünf und so weiter. Dann gegen Hamilton im Ferrari.

Er schaue schon mit großer Freude auf die neue Herausforderung, betonte der Brite, dessen Wechselankündigung den Börsenkurs der Ferrari-Aktie auf ein Rekordhoch an der New Yorker Wall Street getrieben hatte. Noch aber sei er zu 100 Prozent ein Mercedes-Fahrer, stellte der 39-Jährige vor dem Start in die Abschiedstour im diesmal silberschwarzen Rennwagen des deutschen Autobauers fest. „Ich bin hier, um abzuliefern“, ergänzte Hamilton: „Ich liebe dieses Team noch immer und ich werde es immer lieben.“