Von AS Rom bis Halberstadt (13 und Schluss): Präsident Rainer Zipfel spricht im OTZ-Interview über Höhen und Tiefen mit dem FC Carl Zeiss Jena. Geärgert hat ihn die Kritik der ehemaligen Spieler. Die Nachwuchsarbeit will er durch die Einstellung eines alten Bekannten verbessern. Die Schäden durch das Hochwasser sind deutlich höher als erwartet.

Feiern Sie ruhigen Gewissens in der vierten Liga den 110-jährigen Geburtstag?

Sicher spielen wir momentan in der Regionalliga. Aber wir sind ein Traditionsverein, der auf eine lange, wechselvolle Geschichte zurückblickt. Wir wollen am 13. Juli gemeinsam mit unseren Fans und Newport County feiern. Das 100-jährige Jubiläum haben wir auch in der vierten Liga begangen, schafften aber kurz darauf den Aufstieg bis in die 2. Bundesliga.

War das Ihr schönstes Erlebnis als FC-Präsident?

Es war einer der Höhepunkte. Aber auch der Aufstieg in die Regionalliga nach vier Jahren Oberliga-Fußball bleibt mir ewig in Erinnerung. Sehr emotional und wichtig war der Klassenerhalt in der zweiten Bundesliga durch den 2:1-Sieg in Augsburg. Das DFB-Pokal-Halbfinale in Dortmund wird mir wie vielen Fans noch lange in Erinnerung bleiben.

Welche Persönlichkeit ist für Sie untrennbar mit dem FC Carl Zeiss Jena verbunden?

Das würde den Rahmen des Interviews sprengen, alle Namen aufzuzählen. In meiner Kindheit habe ich Peter Ducke bewundert und als Trainer Hans Meyer. Aber auch nach der Wende hatten wir große Spielerpersönlichkeiten wie Bernd Schneider in unseren Reihen. Torsten Ziegner, Mark Zimmermann und Ronny Thielemann waren für mich Garanten für den Doppelaufstieg.

Bei dieser Tradition: Ist sie manchmal auch eine Last?

Tradition verbindet und verpflichtet. Ich bin stolz auf die vielen Erfolge, die in der Vergangenheit errungen worden sind. Aber die heutige Zeit ist nicht mehr mit den Gegebenheiten in der DDR zu vergleichen. Früher gab es einen Trägerbetrieb, der alle Wünsche erfüllte und die materiellen Voraussetzungen dafür geschaffen hat, dass der FC Carl Zeiss Jena eine der erfolgreichsten Mannschaften der DDR war und auch europaweit für Furore sorgte. Beim Kombinat waren alle angestellt, mussten aber keiner Arbeit nachgehen. In der heutigen Zeit gibt es leider keinen Einzelsponsor, der uns allein solche wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bietet.

Steht der Name Carl Zeiss zur Debatte, weil das Unternehmen kein Geld mehr gibt?

FC Carl Zeiss Jena ist unser Markenname, der inzwischen für sich steht. Darauf wollen wir nicht verzichten. Aber natürlich würden wir es sehr begrüßen, wenn sich auch die Carl Zeiss AG zur Tradition ihres Fußballvereins bekennt, dessen Wurzeln im Jahr 1903 in einer Werksmannschaft liegen.

Die früheren Spieler äußern Zweifel an der sportlichen Kompetenz der heutigen Gremien: Haben Sie wirklich keine Ahnung?

Über diese Aussagen bin ich sehr verärgert. Sicherlich fallen auch zwei Abstiege in meine Amtszeiten. Bei zwei Aufstiegen, dem Erreichen des DFB-Pokal-Halbfinales und der wirtschaftlichen Sanierung des Vereines können wir so viel aber nicht falsch gemacht haben. Mich stimmt traurig, dass sich Personen, die nicht einmal mehr Mitglied in dem Verein sind, dem sie viel zu verdanken haben, aus der Ferne ihr Urteil abgeben. Sicher ist es einfacher, als Torwarttrainer von RB Leipzig, einem der finanzkräftigsten Clubs in Deutschland, zu arbeiten und Kritik zu äußern, als selbst Verantwortung bei seinem ehemaligen Verein zu übernehmen.

Warum fragen Sie die Alt­repräsentativen nicht einfach, ob sie helfen?

Das habe ich doch in der Vergangenheit getan. Wir wollten, dass ehemalige Fußballgrößen wie zum Beispiel Bernd Stange oder Uli Göhr Verantwortung übernehmen. Sie haben damals aber leider ein Engagement als Cheftrainer beim FC Carl Zeiss Jena abgelehnt. Gern lade ich alle Kritiker zum Gespräch ein, um mit ihnen die aktuelle Situation zu diskutieren. Über Hilfsangebote freue ich mich.

Erfüllen Sie die Forderung, Fußballer mit Sachverstand in die Gremien zu holen?

Das ist kein Allheilmittel. Man möge sich erinnern, dass beispielsweise Lothar Kurbjuweit Präsident, Sportdirektor und Trainer war. Unter seiner Regie sind wir aus der zweiten Bundesliga abgestiegen und standen vor der Insolvenz, wenn damals die Kinowelt dem Verein nicht Millionenbeträge zur Verfügung gestellt hätte. Auch andere Fußballpersönlichkeiten waren schon in die Gremien des Vereins eingebunden, hatten aber das Wort Ehrenamt falsch interpretiert.

Wie schätzen Sie die abgelaufene Saison ein?

Mein Fazit fällt positiv aus. Wir wollten mit der ersten Mannschaft unter die ersten Drei kommen. Das haben wir erreicht. Leider haben wir den Thüringenpokal nicht gewonnen. Positiv hervorzuheben sind die Mittelfeldplätze der U23-Mannschaft und insbesondere der A-Junioren, die eine sehr gute Rolle in der Juniorenbundesliga gespielt haben. Für die B-Junioren wünsche ich mir, dass ihnen der Aufstieg in die Bundesliga gelingt. Zudem haben viele Nachwuchs­fußballer den Sprung in die erste Mannschaft geschafft. Ich bin überzeugt, dass dieser positive Weg fortgesetzt wird.

Nach dem Aufstieg von RB Leipzig: Zählt nur die Meisterschaft in der Regionalliga?

Unser erklärtes Ziel ist eindeutig der Aufstieg in die dritte Liga. Aber die wirtschaftliche Basis muss stimmen: Vor uns liegt noch ein steiniger Weg.

Wie ist die Finanzlage?

Wir haben die Verbindlichkeiten in dieser Saison um über eine Million Euro abgebaut, so dass der Club wieder zahlungsfähig ist. Allerdings drücken uns noch Altlasten in Höhe von 300.000 Euro bei der Berufs­genossenschaft und der Stadt Jena. Mit der Berufsgenossenschaft laufen aktuell Verhandlungen. Wir wollen einen Nachlass erreichen, um den Weg der Konsolidierung fortzusetzen. Zudem sprechen wir mit allen Sponsoren über Vertrags­verlängerungen inklusive des Hauptsponsors und sind selbstverständlich weiter auf der Suche nach neuen Partnern.

Oft angesprochen wurde von den ehemaligen Spielern die mangelnde Geduld: Wollen Sie geduldiger werden?

Das bin ich bereits. Trainer Petrik Sander ist seit anderthalb Jahren in Jena, hat gerade einen neuen Vertrag unterschrieben, der sich im Aufstiegsfall verlängert. Das zeigt, dass wir auf Kontinuität setzen. Diesen Weg wollen wir weitergehen.

Wie beurteilen Sie die Nachwuchsarbeit: Muss noch mehr Durchlässigkeit in den Männerbereich bestehen?

Wir wollen die Strukturen im Nachwuchs weiter verbessern. Wir sind kurz vor der Vertragsunterzeichnung mit Marco Kämpfe, der nicht nur als weiterer Co-Trainer der ersten Mannschaft fungieren, sondern auch die Strukturen im Bereich des Nachwuchses verbessern soll. Angedacht sind zum Beispiel Schulungen für Trainer oder einheitliche Trainingspläne.

Im Jubiläumsjahr hat die Saale das Ernst-Abbe-Sportfeld unter Wasser gesetzt. Ist der Wettergott kein FCC-Fan?

Manchmal glaube ich, dass sich auch andere Götter gegen uns verschworen haben. Schauen wir nur in die dritte Liga, wo es in diesem Jahr voraussichtlich keinen sportlichen Absteiger gibt. Voriges Jahr, als wir davon hätten profitieren können, haben selbst Wackelkandidaten, wie sich nun zeigt, zu Unrecht die Lizenz erhalten.

Wie hoch sind die Hochwasser-Schäden?

Nach jetziger Einschätzung liegen sie bei zirka 100.000 Euro, da nicht nur die Steuerung der Rollbanden, sondern auch das VIP-Zelt mit Inventar schwer beschädigt ist.

Bedeutet die Überschwemmung das Ende aller Arena-Pläne?

Absolut nicht. Die Kritiker kann ich nicht verstehen. Beim Bau der Haupttribüne wurden die Hochwasserpegel berücksichtigt: Im Gebäude selbst ist kein Schaden entstanden. Beim Neubau der Arena muss man ein mögliches Hochwasser natürlich auch einkalkulieren.

Welche Bedeutung hat die Arena für die Entwicklung des FC Carl Zeiss?

Ohne eine moderne Fußball-Arena gibt es künftig keinen Profifußball mehr in Jena.

Wo sehen Sie den FC Carl Zeiss in zehn Jahren?

In der zweiten Bundesliga. Die Voraussetzungen in Jena sind dafür gegeben: Wir haben tolle Fans, wollen die durchaus vorhandenen Ressourcen der Wirtschaft besser erschließen und mit einer modernen Fußballarena in neue Dimensionen vorstoßen. Die Basis dafür ist unsere erfolgreiche Nachwuchsarbeit.

Mit Rainer Zipfel an Bord?

Diese Entscheidung liegt zwar nicht in meiner Hand. Aber mein Herz brennt nach wie vor für den FC Carl Zeiss Jena.

Dossier zum Stadionumbau in Jena

Nur noch für kurze Zeit: OTZ-Abo zum Sonderpreis inklusive FCC-Mitgliedschaft für ein Jahr gratis