Wie dem Erfurter Sascha Fromm zum dritten Mal das Sportfoto des Jahres gelingt.

Ausgerechnet Vorstopper. Eine Stellenbeschreibung, die es im modernen Viererkettenfußball gar nicht mehr gibt. Die nach Katsche Schwarzenbeck klingt oder Jürgen Kohler. Ein bisschen angestaubt und schweißverschmiert. Mehr Handwerk als Kunst.

Fotograf Sascha Fromm. Foto: Markus Giliar
Fotograf Sascha Fromm. Foto: Markus Giliar © zgt

Doch Sascha Fromm gibt zu, in seinem ersten, seinem jugendlichen, fußballerischen Leben genau diese Position mit Leib und Seele ausgefüllt zu haben. Ausgerechnet er, dessen Bilder jene Leichtigkeit ausstrahlen, als hätte sie der Kaiser höchstselbst aus dem Fußgelenk geschüttelt.

Nun hat er wieder das Sportfoto des Jahres geschossen. Zum dritten Mal schon. Und vielleicht hat das eine ja doch mit dem anderen zu tun. So, wie einst die Adjutanz eines Schwarzenbeck erst die Geniestreiche eines Beckenbauer möglich macht, hat sich der preisgekrönte 52-Jährige die Tugenden des Vorstoppers bewahrt.

Akribische Vorarbeit für die besten Bilder

Für den Erfurter ist Fotografie harte, fast schon fanatische Arbeit. Wer erlebt, wie er vor Olympischen Spielen Abend für Abend den Wettkampfkalender studiert und in mühevoller Kleinarbeit am Laptop Foto-Captions vorab beschriftet, damit dem später brandaktuell aus dem Stadion gesendeten Bild keine wichtigen Angaben fehlen, kann erahnen, was es heißt, ein Meister seines Fachs zu werden. Wer sieht, wie er wochenlang Tag für Tag an einem Dorfteich hält, weil er dort brütende Schwäne entdeckt hat, wundert sich nicht, dass er irgendwann das Bild mit den Küken im Kasten hat.

Vor einem guten Jahr, am letzten Freitag der Olympischen Winterspiele von Pyeongchang, fährt Fromm nicht zum fünften Mal raus zum Biathlon. Er geht zum Eishockeyspiel der Deutschen, die mit dem Einzug ins Halbfinale gegen Kanada schon ein Wunder vollbracht haben – und dem tatsächlich ein noch größeres folgen soll.

Als der Triumph über den haushohen Favoriten nur noch Sekunden entfernt ist, steht Fromm auf der richtigen Seite. Er ahnt, dass die deutsche Mannschaft mit der Schlusssirene auf ihren Torhüter zulaufen wird. Es kommt so. Das gelbschwarze Spielerknäuel rauscht an die Plexiglasscheibe –- und der Mann mit der Mütze drückt dahinter auf den Auslöser. So, wie die gläserne Bande die Energie des Jubels für einen Moment verdichtet und einfriert, fängt der Fotograf mit seiner Kamera die ganze Gelöstheit des Augenblicks ein. Ein Bild, das inzwischen mehr als das Spiel selbst zum Symbol der größten deutschen Wintersportsensation geworden ist.

Foto hängt bei Yannic Seidenberg im Wohnzimmer

Wie lässt es sich angemessen würdigen? Natürlich mit dem erwähnten Preis als Foto des Jahres. Mit Beifall und Blumen und schönen Worten. Noch schöner: Durch die Anfrage seines Protagonisten Yannic Seidenberg. Der Nationalspieler lässt sich das Bild von Fromm schicken und hängt es in sein Wohnzimmer.

Den schönsten Weg aber finden die Gastgeber der Gala im Berliner Olympiastadion. Als Markenzeichen des feierlichen Abends der Ehrungen flimmert das preisgekrönte Motiv knallgelb von allen Monitoren in den Katakomben und Lounges. Vor allem aber strahlt es draußen von der riesigen Anzeigetafel wie ein Leuchtfeuer ins stille nächtliche Rund. Vielleicht ist dies die höchste Form der Anerkennung. Wahre Kunst muss sich nicht anbiedern. Sie steht für sich allein. Und füllt und wärmt mit ihrem Licht ein ganzes leeres Fußballstadion. Eines, in dem für Vorstopper sonst gar kein Platz mehr ist.