Oberhof. Thomas Schulz, Bürgermeister und Hotel-Besitzer aus Oberhof, sagt wegen Corona baldige Schließungen von Hotels voraus.

Der Vorzeige-Wintersport-Ort Oberhof hatte am Wochenende auch unter der thüringenweiten Absage von Veranstaltungen zu leiden. Ein Gala-Abend mit Eiskunstlauf-Ikone Katarina Witt im Panorama-Ahorn-Hotel wurde kurzfristig abgesagt. Auch zum Leidwesen von Bürgermeister Thomas Schulz, der dieses Amt in der 1600-Einwohner-Gemeinde seit 13 Jahren inne hat. Wir sprachen mit dem parteilosen 55-Jährigen über die aktuelle Situation rund um Corona.

Katarina Witt ist nicht gekommen. Aber wie verläuft das Leben angesichts von Corona sonst in der Gemeinde Oberhof?

Es gibt bisher keine gravierenden spürbaren Auswirkungen.

Keine Hamsterkäufe wie in anderen Städten?

Mir ist diesbezüglich nichts bekannt. Ich habe am Wochenende beim Einkaufen alles bekommen, was ich wollte.

Die H2O-Therme ist auch noch offen?

Ja, warum nicht? Aber so etwas entscheidet nicht die Gemeinde, sondern der Zweckverband.

Und die Österreicher haben auch nicht aufgehört, das neue geplante Familien-Luxus-Ressort unterhalb des Schützenbergs zu bauen?

Die Arbeiter sind seit Herbst aktiv und die Bagger täglich im Einsatz.

Sie sind nicht nur Bürgermeister, sondern auch Hotel-Besitzer. Seit etwa zwei Jahren führen Sie das Drei-Sterne-Superior-Hotel „Traumblick“ mit 60 Betten. Wie ist die derzeitige Auslastung?

Sie liegt aktuell bei 37 Prozent.

Gibt es Stornierungen?

Ja, mehrere für die nächsten Monate. Und es gibt vor allem keine Neubuchungen. Ein Zustand, der derzeit viele Hotels trifft, auch im Ort leiden darunter eigentlich alle Häuser. Wir sind miteinander im ständigen Austausch.

Und was befürchten Sie?

Dass schon bald Hotels schließen müssen, vielleicht sogar alle, früher oder später. In erster Linie gar nicht wegen der Auslastung, sondern weil Mitarbeiter fehlen. Diese müssen ihre Kinder betreuen, die ab dieser Woche nicht mehr in die Schule beziehungsweise in den Kindergarten dürfen. Sie werden freigestellt, gehen in Kurzarbeit oder müssen Urlaub nehmen. Das wird verheerend. Ehrlich gesagt beunruhigen mich derzeit nicht so sehr die Coronaviren, sondern die Folgen der Pandemie.

Haben Sie kein Verständnis für die Schließungen?

Wenn diese abgewogen und aus sachlicher Erwägung geschehen, die Politiker in Absprache mit unterschiedlichen Fachleuten entscheiden, dann ist das absolut in Ordnung. Es gibt ein Leben nach Corona, und wir haben nichts gewonnen, wenn dann wesentliche Bestandteile dazu fehlen. Und dazu gehören eben die Industrie, die Kunst, die Hotellerie, Gaststätten. Also sollten Entscheidungsträger neben Ärzten, Virologen, auch die Vertreter der Wirtschaft hören. Doch ich habe den Eindruck, dass manche Entscheidungen eher Aktionismus folgen und nicht zu Ende gedacht wurden. Das normale Leben darf in gewissen Bereichen nicht aufhören. Die Leute müssen das Vertrauen behalten, spüren, dass alle Entscheidungen einer klaren Linie folgen. Das Gefühl von Sicherheit darf nicht verloren gehen.

Aber die Gesundheit muss doch vorgehen.

Natürlich, sie ist das Wichtigste, die Risikogruppen müssen auf jeden Fall geschützt werden, in Krankenhäusern müssen entsprechende Vorsorgemaßnahmen getroffen werden. Klar. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass das alles gut und sinnvoll koordiniert ist, sondern manche Handlung scheinen, als seien sie jetzt mal schnell getroffen worden. Und ich befürchte, dass darunter Tausende in verschiedensten Branchen leiden müssen, Leute ihren Arbeitsplatz verlieren, Selbstständige ihre Existenz. Und dann mache ich mir noch andere Sorgen.

Welche?

Na ja, wenn zum Beispiel wichtige Produkte nicht mehr in den Handel kommen, weil Lieferketten nicht funktionieren oder Betriebe nicht mehr produzieren können, weil Mitarbeiter fehlen. Dann wird das die derzeitige Unsicherheit verstärken. Und Unsicherheit macht Angst. Und aus Angst entsteht Gewalt – nein, das will ich mir eigentlich gar nicht ausmalen.

Was würden Sie denn als Sofort-Maßnahmen in der Hotel – und Gaststättenbranche empfehlen?

Wichtig sind vor allem Maßnahmen, die sofort greifen. Die Regelung zum Kurzarbeitergeld ist in Ordnung. Aber dennoch laufen doch weitere Kosten auf, die Einnahmen fehlen. Die Branche wird noch lange nach Corona an diesen Folgen leiden. Und sie tut das schon jetzt. Deshalb wäre eine Umsatzsteuerverringerung auf prinzipiell sieben Prozent in der Hotel- und Gastrobranche ein Hebel, der unmittelbar helfen würde. Und für die Betriebe, die es aus eigener Kraft nicht schaffen, diese Periode zu überstehen, für die bräuchte es ein Instrumentarium, Insolvenzen abzuwenden.

Eine politische Institution?

Die Politik muss einheitlich handeln – von oben nach unten und mit verständlicher Kommunikation. Unterschiedliche Entscheidungen von Stadt zu Stadt, Bundesland zu Bundesland verstehen die Menschen nicht. Sie erwarten von uns Entscheidungsträgern klare Ansagen, Ehrlichkeit und vor allem die Gewissheit, dass das Richtige getan wird. In solchen Situationen wie jetzt umso mehr. Die Politik ist vielleicht wie seit Jahrzehnten nicht mehr gefordert, das Leben am Laufen zu halten. Das gilt auch für mich als kleiner Bürgermeister. Selbst wenn es nur darum gehen mag, dafür zu sorgen, dass die gelben Müllsäcke vor den Türen stehen. Aber die Ordnung darf nicht verschwinden, dafür will ich das meinige tun.

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