Göpfersdorf. Baumarktkette ist seit sieben Generationen in Familienhand. In sieben Filialen 350 Mitarbeiter beschäftigt.

Ein Unternehmen, das auf 150 Jahre Firmengeschichte zurückblicken kann, ist an sich schon eine Seltenheit. Über sieben Generationen und fünf politische Systeme hinweg gelang es der Familie Lichtenstein zudem, das Leitergeschäft des Gründers Gottlob Plötner zu einer Baumarktkette auszubauen, die sieben Filialen unterhält und rund 350 Menschen einen Arbeitsplatz bietet.

Im Mai 1869 ließ sich der gebürtige Weißenborner Plötner als Leitermacher in Göpfersdorf nieder. Aus dieser Zeit stammt der Firmenname, der Spitzname des Gründers. Im Jahr 1970 übernahm dessen Urururenkel Günter Lichtenstein die Geschicke des Unternehmens und krempelte es kräftig um. Dabei wollte er nie den Betrieb übernehmen. „Für mich war klar, dass ich Bauer werde“, sagt der 71-Jährige. Die Zwangskollektivierung machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Studieren durfte er auch nicht, also gab er dem Drängen des Großvaters nach.

„Der pflegte seinen Ruf, ein Unikat zu sein, hatte eigentlich nur eine Scheune, aus der her­aus er alles mögliche verkauft hat. Bei ihm lagen die Autoreifen sogar unter dem Bett“, erinnert sich Lichtenstein. Als erstes habe er begonnen, etwas Struktur in den Betrieb reinzubringen. „Damals hatten wir einen Jahresumsatz von 800.000 Mark, Ende der 1980er waren es dann 15 Millionen und wir waren der zweitgrößte nichtstaatliche Betrieb im Bezirk Leipzig.“

Seniorchef pflegte ­ den Ruf des Sonderlings

Die Masche des Opas führte er dabei weiter: „Ich bin nie ein gutes Auto gefahren, bin jahrelang im abgewetzten Dederon-Kittel mit abgerissenen Taschen herumgelaufen.“ Seine Frau habe sich stets für ihn geschämt, erinnert er sich mit einem breiten Lächeln. Doch der Ruf, ein Sonderling zu sein, habe ihm wohl in vielen Dingen geholfen, vermutet er. „Damals war es das Wichtigste, etwas zu bekommen, heute ist es das Wichtigste, zu verkaufen“, fasst der heutige Seniorchef den Unterschied zur DDR-Zeit zusammen. Auch mit Blick auf die Zukunft steht das Unternehmen vor großen ­Herausforderungen.

Man sei modern und gut aufgestellt, sagt Geschäftsführer Stephan Leitermann. Auch wenn die derzeitige Internetanbindung des Rechenzentrums in Göpfersdorf mit zwei Mal zehn MBit pro Sekunde sehr bescheiden daherkomme. „Der Trend geht hin zur Cloud. Wenn alle 30 Leute gleichzeitig im Internet sind, können wir nicht mehr arbeiten“, sagt er. Noch in diesem Jahr soll die Leitung ausgebaut werden, allerdings verdoppele sich auch der Bedarf alle ein bis zwei Jahre.

Das Online-Geschäft mache zwar nur zehn Prozent des Umsatzes aus, aber das Internet sei das vorherrschende Informationsmedium. „Noch ist die Papierwerbung unerlässlich, aber es erreicht längst nicht mehr jeden“, sagt der Seniorchef. Darum baue man beständig das digitale Angebot aus, seit diesem Jahr bietet Leitermann eine Kundenkarten-App an.

„Was den Versandhandel angeht, hat Amazon gewonnen“, sagt Günter Lichtenstein. Allgemein sei ein Wandel des Kaufverhaltens zu beobachten. „Die Filialen werden immer mehr zu Showrooms für den digitalen Handel“, hat Stephan Lichtenstein beobachtet. Auch außerhalb des Internets sei der Markt aufgeteilt, vor allem in Ostdeutschland herrsche ein Überbesatz an Baumärkten. „Der Trend geht seit zwanzig Jahren ganz klar in Richtung Konzentration“, so der Senior. Neue Formate entstünden, auch die Spezialisierung nehme zu.

Man setzt auf regionale Anbieter und Partner

Leitermann begegnet dem, indem man sich zum Kunden hinbewegt. Mit dem Programm „Handwerker nach Maß“ kann man über den Baumarkt auch Handwerker bestellen, die vermessen, installieren oder zur jährlichen Wartung vorbeikommen. Dabei dienen regionale ­Betriebe als Vertragspartner, für den Kunden bleibt aber in allen Fragen wie etwa Gewährleistung und Terminvergabe der Baumarkt Ansprechpartner. Auch was Baustoffe und Pflanzen angeht, setze man auf regionale Anbieter.

„In Schmölln ist das kein Problem, da sind wir bekannt und gehören dazu“, sagt der Seniorchef. In Chemnitz sei das anders, das Angebot größer und die Kundschaft anonymer. Zu beobachten sei auch, dass mehr Wert auf Qualität und Markenprodukte gelegt werde. Modische Trends, etwa im Bereich Gartenmöbel, kämen im Osten zudem mit einiger Verzögerung an. Man müsse flexibel regieren können, so Günter Lichtermann. „In 15 Jahren kauft keiner mehr kraftstoffbetriebene Werkzeuge“, ist er sicher.

Der Fachkräftemangel sei glücklicherweise kein Thema, denn die Ausbildungsquote ist hoch, mit zehn neuen Auszubildenden pro Jahr über dem eigenen Bedarf. „Allerdings lässt die Qualität der Bewerbungen nach. Die Grundkenntnisse wie Lesen, Schreiben, Rechnen sind bei vielen Schülern nicht mehr so ausgeprägt wie in den ­1990ern“, sagt Günter Lichtenstein. Prozentrechnen sei fast gar nicht mehr abrufbar.