Washington. Eine Blase am US-Häusermarkt löste vor 16 Jahren die globale Finanzkrise aus. Nun schrillen wieder die Alarmglocken – aus gutem Grund.

Auf den ersten Blick bringen Thomas und Nicole M. aus Washington D.C. die besten Voraussetzungen mit, um sich den Traum vom Eigenheim zu erfüllen. Beide sind Mitte 30 und Angestellte beim Heimatschutzministerium, sie verdienen gute Regierungsgehälter. Noch vor kurzer Zeit wäre die Finanzierung der eigenen vier Wände für sie wohl gut machbar gewesen. Doch die Zinswende hat die Ausgangssituation verändert.

Elfmal in Folge hat die US-Notenbank im Kampf gegen die Inflation zuletzt die Zinsen erhöht und liegt damit zwei Zinsschritte vor der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Leitzinsen in Amerika liegen mittlerweile in einer Spanne von 5,25 bis 5,5 Prozent. Das hat auch Auswirkungen auf den Häusermarkt. Allein während des abgelaufenen Jahres stieg der durchschnittliche Satz für Hausdarlehen mit 30-jähriger Laufzeit von 3,4 auf 7,5 Prozent. Das wiederum hat für Durchschnittsverbraucher Folgen.

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Wer nämlich heute eine Hypothek in Höhe von von 400.000 Dollar aufnimmt, zahlt dafür jeden Monat über 30 Jahre 1.000 Dollar mehr als ein Käufer, der im März 2022 seine Immobilie finanzierte. „Wenn wir jetzt einen Tausender mehr im Monat für die Finanzierung einer Eigentumswohnung ausgeben müssen, dann geht das zu Lasten von Freizeitaktivitäten, Restaurantbesuchen, Urlauben und anderen Dingen, die wir uns gönnen wollen“, sagt Nicole M. Nun bleibt das Paar in einer Mietwohnung – und will mit dem Hauskauf warten, bis die Zinsen wieder runtergehen.

Verkäufe am US-Immobilienmarkt sinken – droht eine neue Gefahr?

„Gerade für Erstkäufer werden Eigenheime durch die hohen Zinsen unerschwinglich“, stellt Clare Losey, Vorstandsmitglied im Austin Board of Realtors in Texas, fest. Hinzu kommt, dass Hausbesitzer, die ihre Immobilie im vergangenen Jahr oder davor gekauft und billig finanziert haben, nun umso motivierter sind, daran festzuhalten, anstatt diese zu verkaufen und für das nächste Haus einen teuren Kredit aufzunehmen. Die daraus resultierende Kombination aus knappem Angebot und hohen Zinsen dürfte Experten zufolge in den kommenden Monaten die Preise weiter hoch treiben.

In den USA steigen die Preise für Wohnimmobilien an.
In den USA steigen die Preise für Wohnimmobilien an. © iStock | istock

Schon jetzt ist diese Entwicklung abzusehen. Die Preise für Immobilien in den USA legen zu und auch die wichtigsten Indikatoren zeigen – trotz gesunkener Verkaufszahlen – wieder nach oben. Während die Kombination aus steigenden Immobilienpreisen und hohen Zinsen für Menschen wie Thomas und Nicole M., die gerne ein Haus kaufen würden, zum Problem werden, sind die Indikatoren für die Stabilität der US-Wirtschaft zunächst ein eher beruhigendes Zeichen.

Der Grund: Die moderaten Preissteigerungen widersprechen den Voraussagen von Schwarzmalern, die während der Corona-Pandemie – damals schossen die Hauspreise um 20 Prozent pro Jahr hoch – von einer ähnlichen Preisblase sprachen wie während der Subprime-Krise. Diese hatte bekanntlich im Jahr 2007 den Weg gepflastert für die globale Finanzkrise und mündete in einer Weltrezession.

Massenhafte Zahlungsausfälle im Wohnungsmarkt unwahrscheinlich

Auch wenn vorerst die Indikatoren eine positive Sprache sprechen: Können die Preise als Folge spekulativer Exzesse wieder in so schwindelerregende Höhen steigen, dass Käufer sich überschulden und die nächste Krise heraufbeschwören? Experten halten das zumindest am Wohnimmobilienmarkt für unwahrscheinlich. Dafür haben vor allem striktere Standards für die Vergabe von Hypothekendarlehen gesorgt. Diese waren ein zentraler Bestandteil verschärfter Finanzaufsicht nach der Krise.

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Zwar haben einige Kreditmakler wieder Wege gefunden, Verifizierungsvorschriften für das Einkommen und die Vermögensverhältnisse ihrer Kunden zu umgehen – unter anderem deswegen, weil die Regierung von Präsident Donald Trump seinerzeit versucht hat, die strengeren Regeln wieder auszuhöhlen. Gleichwohl machen die Subprime-Kredite diesmal nur einen minimalen Teil des Gesamtmarkts aus. Massenhafte Zahlungsausfälle wie vor 15 Jahren sind daher unwahrscheinlich.

Vor allem in San Francisco, aber nicht nur dort, zeigt sich ein dramatisches Bild. Der Leerstand nimmt zu.
Vor allem in San Francisco, aber nicht nur dort, zeigt sich ein dramatisches Bild. Der Leerstand nimmt zu. © Getty Images News/Getty Images | Justin Sullivan, Collection: Getty Images News Getty Images

Ganz anders stellt sich die Lage bei gewerblichen Projekten dar. So hat die wachsende Beliebtheit des Homeoffice neue Wundstellen offengelegt. Parallel zu dem Aufschwung bei Eigenheimen hat der Markt für gewerbliche Immobilien Federn gelassen. Da immer mehr Berufstätige ihrem Job vom Heimbüro aus nachgehen, haben sich ganze Stadtbezirke, die vor der Pandemie pulsierende Zentren waren, mittlerweile in desolate Betonwüsten verwandelt.

Leerstand gewerblicher Immobilien bei bis zu 30 Prozent in Städten

Nach Angaben des Immobiliendienstleisters Savills stehen allein in San Francisco mittlerweile 32,7 Prozent aller Bürogebäude leer. Großstädte wie Atlanta und Houston haben ebenfalls Leerstandsquoten von über 30 Prozent, dicht gefolgt von Los Angeles, Seattle und Philadelphia.

Nach Ansicht der Investmentbank Morgan Stanley werden gewerbliche Immobilien bis 2025 in den USA 35 Prozent ihres Werts verlieren – Verluste, die nicht vor 2040 ausgeglichen werden können. Zudem hat die Mortgage Bankers Association, der Dachverband der US-Immobilienmakler, errechnet, dass in den kommenden zwei Jahren Hypothekenschulden im Wert von 1,4 Billion Dollar fällig werden.

Ein bedeutender Teil davon entfällt wiederum auf vakante, gewerbliche Immobilien, bei denen Raten nicht mehr bezahlt werden. Folglich befinden sich Kreditgeber in der Klemme, und sollte sich der Trend fortsetzen oder gar beschleunigen, dann ist nicht auszuschließen, dass Abschreibungen in dreistelliger Milliardenhöhe bevorstehen – die in eine neue Krise münden könnten.