Berlin. Der Warnstreik-Aufruf der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer zwei Tage vor der nächsten Verhandlungsrunde war eine große Überraschung. Auch die Auswirkungen sind groß - und zwar nicht nur für die Fahrgäste.

Der angekündigte Warnstreik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) wird die Verhandlungen über einen neuen Tarifvertrag bei der Deutschen Bahn in die Länge ziehen. Die Deutsche Bahn sagte die für Donnerstag und Freitag geplante zweite Verhandlungsrunde aufgrund des Streikbeschlusses der Gewerkschaft ab. „Entweder man streikt, oder man verhandelt. Beides gleichzeitig geht nicht“, sagte Personalvorstand Martin Seiler am Mittwoch in Berlin.

Bei den Gesprächen in der vergangenen Woche hatten sich beide Seiten noch auf einen engen Verhandlungsrhythmus mit acht Terminen innerhalb von nur fünf Wochen verständigt. „Wer die Verabredung in dieser Gestalt bricht und kurzfristig Streiks ausruft, der kann nicht erwarten, dass wir einfach weiter am Verhandlungstisch sitzen“, ergänzte Seiler.

Die GDL hatte am Dienstag überraschend zu einem 20-stündigen Warnstreik aufgerufen. Der Ausstand sollte am Mittwoch um 22.00 Uhr beginnen und bis 18.00 Uhr des Folgetages dauern. Aufgerufen sind unter anderen Lokführer, Zugbegleiter, Werkstattbeschäftigte und Fahrdienstleiter. Die Bahn geht davon aus, dass mehr als 80 Prozent des Fernverkehrs aufgrund des Arbeitskampfes ausfallen wird. Auch im Regional- und Güterverkehr soll es deutliche Einschränkungen geben.

Die GDL fordert unter anderem 555 Euro mehr im Monat bei zwölf Monaten Vertragslaufzeit sowie eine Inflationsausgleichsprämie. Als Knackpunkt gilt die Forderung nach einer Absenkung der Arbeitszeit von 38 auf 35 Wochenstunden für Schichtarbeiter bei vollem Lohn. Während GDL-Chef Claus Weselsky in den vergangenen Wochen immer wieder die große Bedeutung dieser Forderung betonte, sieht DB-Vorstand Seiler an dieser Stelle keinen Verhandlungsspielraum. Die Forderung sei auch aufgrund des Fachkräftemangels nicht realisierbar. Die Personalsituation bei der Bahn ist in einigen Bereichen bereits jetzt angespannt.

Wie die beiden Parteien an dieser Stelle zueinander finden sollen, ist derzeit völlig unklar. Die nächsten vereinbarten Gesprächstermine sind der 23. und 24. November. Ob diese stattfinden, ließen beide Seiten am Mittwoch ebenfalls offen. Sicher ist aber, dass der Aufruf zum Warnstreik dem Vertrauensverhältnis in dem noch jungen Tarifkonflikt geschadet hat. Viele hatten bereits mit einem Streikaufruf zu Verhandlungsbeginn gerechnet. Dieser blieb aus, stattdessen verhandelten Weselsky und sein Team gut fünf Stunden lang mit den Bahn-Vertretern. Anschließend präsentierte der GDL-Chef vor allem die vielen Verhandlungstermine noch vor Weihnachten als Erfolg - von denen nun mindestens zwei nicht stattfinden werden.

Für die Folgetermine dürfte vieles davon abhängen, wie sich die GDL nach dem angekündigten Warnstreik verhalten wird - und ob möglicherweise gleich ein weiterer Arbeitskampf folgt.