Berlin. Fahrgäste und Firmen leiden unter dem GDL-Streik bei der Bahn. Eine solche Eskalation könnte mit einer Änderung verhindert werden.

Weil deutschlandweit erneut Züge der Deutschen Bahn stillstehen, leiden Fahrgäste und Wirtschaft. Am Donnerstag ist deswegen eine neue Debatte um das Streikrecht entbrannt. Der Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag, Christian Dürr, sagte dieser Redaktion mit Blick auf den Arbeitskampf der Lokführergewerkschaft GDL, Streiks dürften schmerzhaft sein, aber sie müssten verhältnismäßig bleiben, insbesondere wenn kritische Infrastruktur betroffen sei.„Wir sollten in den kommenden Wochen prüfen, ob die Regeln für Streiks im Bereich der kritischen Infrastruktur modernisiert werden müssen“, sagte Dürr weiter.

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Auch der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann brachte Änderungen in Spiel: „Dieser vollkommen überzogene Streik steht symptomatisch für eine Entwicklung in der Gesellschaft, bei der kleinere Gruppen knallhart und ohne Rücksicht auf das große Ganze ihre Interessen durchsetzen wollen“, sagte Linnemann dieser Redaktion. Zuvor hatte bereits der Ehrenvorsitzende des Fahrgastverbands Pro Bahn, Karl-Peter Naumann, in der „Rheinischen Post“ gefordert, für „kritische und alternativlose Infrastruktur in Deutschland neue Regeln“ zu schaffen.

Streikrecht: Wirtschaftsweise Grimm positioniert sich in der Debatte

Auch die Wirtschaftsweise Veronika Grimm sagte unserer Redaktion, die Diskussion, das Regelwerk zwischen Gewerkschaften und Unternehmen anzupassen, sei jetzt da. Denkbar sei, ein Schlichtungsverfahren vor dem Streik vorzuschreiben. Bislang sei das nicht erforderlich. Dass es tatsächlich zu Änderungen kommt, hält Grimm aber für unwahrscheinlich. „Letztlich werden die Gewerkschaften, gerade auch im Bereichen Bahn und Luftfahrt, einen Anreiz haben, es nicht so weit kommen zu lassen“, sagte sie. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte bereits Ende Januar mögliche Gesetzesänderung mit Blick auf Streiks zurückgewiesen.

Seit Mittwoch streiken die Lokführer im seit Monaten schwelenden Tarifkonflikt mit der Bahn zum insgesamt fünften Mal. Zunächst war nur der Güterverkehr betroffen, seit Donnerstagfrüh auch der Personenverkehr. Bis Freitagmittag um 13 Uhr sollen die Züge dann weitestgehend stillstehen. Die GDL will danach aber weitermachen und hat Wellenstreiks angekündigt, die sie ohne die sonst übliche längere vorherige Ankündigung durchführen möchte.

Interaktive Bahn-Karte: So ist Deutschlands Schienennetz geschrumpft

Auf- und Rückbau des deutschen Schienennetzes von 1835 bis heute
Auf- und Rückbau des deutschen Schienennetzes von 1835 bis heute © Interaktiv-Team

Das deutsche Schienennetz hat die besten Zeiten hinter sich. Mitte der 50er-Jahre war es noch 14.000 Kilometer länger als heute. Wo Züge rollen und wo es einmal Bahnverbindungen gab – Jahr für Jahr von 1835 bis heute.

Volkswirtschaftliche Schäden durch Bahnstreik: Ökonomen uneins

Wegen der erneuten Arbeitsniederlegungen hatte auch die Wirtschaft vor den Folgen gewarnt. Nicht nur wichtige Güter würden wegen des Streiks nicht ankommen, auch viele Beschäftigte seien auf die Bahn angewiesen, so der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Den genauen wirtschaftlichen Schaden zu berechnen, fällt Ökonomen aber schwer. Das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) schätzte, dass ein eintägiger bundesweiter Bahnstreik bis zu 100 Millionen Euro an Wirtschaftsleistung kosten kann.

Stefan Kooths, Konjunkturchef am Institut für Weltwirtschaft Kiel, ist mit Blick auf die volkswirtschaftlichen Schäden der Streikwelle hingegen weniger pessimistisch. „Ich wüsste nicht, dass das jemand zum Anlass genommen hätte, seine Konjunkturprognose zu revidieren“, sagte Kooths dieser Redaktion. Bisher sei es stets so gewesen, dass bei Streiks Produktionsausfälle später wieder ausgeglichen wurden. „Meistens sieht man das in dem Quartal gar nicht mehr.“ Allerdings häuften sich die Streiks gerade, nicht nur bei der Bahn. Welche Folgen das haben wird, lasse sich jetzt noch nicht seriös absehen, so der Experte.