Frankfurt/Main. Trotz der hohen Inflation und vieler Sorgen um die Konjunktur ist die Börse kräftig im Aufwind. Der Dax erreicht eine neue Bestmarke. Gefahr droht aber von geopolitischen Spannungen.

Nach dem Befreiungsschlag zu „Christi Himmelfahrt“ ist dem Dax am Freitag der Sprung auf ein Rekordhoch gelungen. Mit gut 16.300 Punkten ließ der deutsche Leitindex seine bisherige Bestmarke aus dem Jahr 2021 hinter sich. Nach wochenlangem Geplänkel unter der Marke von 16.000 Zählern hatte vorsichtiger Optimismus über Fortschritte im Streit um eine höhere US-Schuldengrenze zur Abwendung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit der USA frischen Schwung in den deutschen Aktienmarkt gebracht.

Der Sprung über solch einen Widerstand, wie es die 16.000-Punkte-Marke gewesen sei, könne wie eine Initialzündung wirken, erklärte der Marktexperte und technische Analyst Christoph Geyer. Am Freitag schloss der Dax bei 16.275,38 Punkten, ein Plus von 0,69 Prozent im Vergleich zu Vortag.

Der alte Dax-Rekord von rund 16.290 Punkten stammt aus dem November 2021, bevor im Jahr darauf Russlands Krieg gegen die Ukraine sowie steigende Leitzinsen infolge hoher Inflation die Börsen weltweit heruntergezogen hatten. Seit Herbst 2022 läuft es aber wieder rund, der Dax hat sich seit dem Kursrutsch im September auf damals fast 12.000 Punkte stark erholt.

Erholung des chinesischen Konsumverhaltens

Dafür sorgte auch ein gewisser Konjunkturoptimismus nach dem Ende der harten Corona-Einschränkungen Chinas vor dem Jahreswechsel. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt gilt als wichtiges Zugpferd der globalen Konjunktur. Zwar stockt es in der chinesischen Wirtschaft derzeit immer noch vor allem in der Industrie, doch gibt es auch positive Signale.

„In der aktuellen Berichtssaison bestätigen europäische Hersteller von Automobilen, Luxusgütern und Sportartikeln eine gesunde Erholung der chinesischen Umsätze, wenn auch der starke Aufschwung aus dem ersten Quartal nicht über das gesamte Jahr fortführbar erscheint“, erklärte Analyst Sven Streibel von der DZ Bank unlängst. Wichtig sei vor allem, dass die Unternehmen positiv auf die weitere Erholung des chinesischen Konsumverhaltens blickten. Vor diesem Hintergrund hatte Streibel sein Jahresendziel für den Dax jüngst auf 16.500 Punkte angehoben.

Risiken bleiben

Es gibt aber auch Risiken. Mitte des kommenden Jahres sieht Streibel den Dax auf dem Niveau von Ende 2023. Denn: Aktuell fehlten noch Wirtschaftsimpulse und es gelte, die möglichen Effekte einer zwischenzeitlichen Konjunkturverlangsamung beziehungsweise von Kursrücksetzern einzubeziehen. Insgesamt hingen europäische Aktien maßgeblich von Chinas wirtschaftlichem Aufschwung ab.

Erst vor wenigen Tagen hatte ein überraschend geringes Wachstum der chinesischen Industrieproduktion und der Konsumausgaben die Sorgen hinsichtlich der Konjunkturerholung des Landes verstärkt.

Ungemach für die Weltwirtschaft bergen auch die Spannungen zwischen den USA und China in puncto Unabhängigkeit Taiwans. Westliche Staaten treibt auch deshalb die Sorge um ihre Abhängigkeit von China bei der Versorgung etwa mit Rohstoffen, Pharmaprodukten und Elektronikchips um. Sie steuern aktuell zwar gegen, allerdings wird es Jahre dauern, ausreichend eigene Kapazitäten aufzubauen. Der Chefvolkswirt der Allianz, Ludovic Subran, sieht denn auch die Gefahr einer neuen Protektionismus-Phase.

US-Präsident Joe Biden verschärft den Kurs seines Vorgängers Donald Trump teils noch: Die Vereinigten Staaten erließen Exportbeschränkungen, um China den Zugang zu US-Technologien zu verwehren. Aktuell erwägt Biden, privatwirtschaftliche Investitionen aus den USA im Ausland zu reglementieren - zumindest für sensible Technologien. Auch das würde sich gegen China richten.

Ärger in Europa über US-Subventionen

Gleichzeitig ärgert sich Europa über protektionistische US-Subventionen für saubere Technologien und damit um mögliche Wettbewerbseinschränkungen. Angesichts massiver staatlicher Förderungen für viele Industrien in den USA halten sich nicht wenige europäische Unternehmen aktuell bei Investitionen in Europa eher zurück und wenden sich stattdessen lieber den USA zu.

Daniel Saurenz von Feingold Research bringt den Aufschwung an der Börse wie folgt auf den Punkt: Viele Unternehmen hätten Inflation und steigende Preise genutzt, was zu höheren Gewinnen geführt habe. Gleichzeitig seien viele Investoren der Entwicklung hinterhergelaufen und würden nun fast schon zum Handeln gezwungen. Dem stünden die deutlich gestiegenen Zinsen gegenüber, bei bestenfalls mittelmäßigen Wirtschaftsdaten.

Saurenz sieht daher den „Dax oberhalb von 16 000 als klare Wette darauf, dass eine Rezession ausfallen wird.“ Aktuell würden nur noch überschaubare Risiken in die Kurse eingepreist. „Das könnte sich 2023 noch als Problem erweisen. Erst einmal ist aber Partytime.“