Erfurt. Denny Laine sang bei The Moody Blues und war Paul McCartneys Flügelmann bei den Wings. Christian Werner über sein weniger bekanntes Solo-Album „Japanese Tears“.
Im Pre-Internetzeitalter wirkte es fast wie ein Echtzeit-Kommentar: Im Januar 1980 verbringt Paul McCartney mehr als eine Woche im japanischen Gefängnis, als er bei der Einreise am Flughafen in Tokio mit Marihuana erwischt wird. Die geplante Japan-Tour mit seinen Wings – seine erste Konzertreise in das Land seit 1966 – wird abgesagt.
Bereits im Dezember veröffentlicht sein Bandkollege Denny Laine ein Solo-Album mit dem wenig diplomatischen Titel: „Japanese Tears“ – japanische Tränen. Der Titelsong thematisiert unverhohlen die Enttäuschung über die gecancelte Tournee der Wings, aus Sicht eines japanischen Fans. Definitiv keine Lobeshymne auf den Chef.
Denny Laine ist ein treuer Begleiter McCartneys
Die Wings (deutsch: Flügel), McCartneys Band nach den Beatles, lösen sich offiziell 1981 auf. Denny Laine, der am 5. Dezember 2023 mit 79 Jahren verstorben ist, war neben McCartneys Frau Linda das einzige konstante Mitglied seit der Gründung 1973. Sein berühmtestes Solo-Werk „Japanese Tears“ ist jedoch nicht nur wegen der öffentlichen Kritik, eine frühe Form des Dissens, eine interessante Fußnote der Musikhistorie.
Zum einen haben bei den meisten Songs über die Jahre verschiedene Mitglieder der Wings mitgearbeitet. Selbst der Ex-Beatle ist auf der LP zu hören: „Send me the Heart“, die älteste Aufnahme der Platte aus dem Jahr 1973, haben Laine und McCartney, der auch den Bass zupft, zusammen komponiert. Den optimistischen Country-Schunkler hatten sie seinerzeit in Nashville aufgenommen.
Denny Laine – McCartneys Sidekick und erster Sänger der Moody Blues
Und zum anderen ist „Japanes Tears“ wohl eines der am meisten wiederveröffentlichten Alben der Musikgeschichte – mit unterschiedlichen Abmischungen oder Neueinspielungen einzelner Songs und kurioserweise sogar unter unterschiedlichen Titeln. Hier eine Auswahl von Namen, unter denen die Platte auch im Regal von Musik-Fans stehen könnte:
- „Denny Laine, Paul McCartney & Friends”,
- „In Flight“,
- „Go now“,
- „Weep for Love“,
- „Danger Zone“,
- „Send Me the Heart” und
- „Lovers Light“.
Denny Laine hat nur fünf der dreizehn Songs des Albums im Jahr 1980 eingespielt. Die anderen Tracks sind über die 70er-Jahre verteilt entstanden. Neben dem Titelsong gehört eine neue Version von „Go now“ zu den bekanntesten Liedern des Albums. Der Song war der erste Hit von Laines früherer Band The Moody Blues aus dem Jahr 1965. Ein Jahr später verließ er die Gruppe, die wiederum ein weiteres Jahr später ihren Welt-Hit „Nights in white Satin“ veröffentlichte.
- Denny Laine singt Mitte der 70er-Jahre während der Welttournee mit den Wings seinen The-Moody-Blues-Hit „Go now“:
Mit seinen vielen Versatzstücken ist „Japanese Tears“ ein bunt bestückter Gemischtwarenladen, und zum Teil eine Outtake-Sammlung der goldenen Jahre der Post-Beatles-Band Wings. Laines Songs spielten neben dem Ouput McCartneys eher eine Nebenrolle – er war an einem knappen Dutzend der Kompositionen der Band beteiligt, etwa als Co-Autor von „Mull of Kintyre“, dem größten Hit der Gruppe. Die Stücke seines Solo-Werks reichen zwar nicht an die Qualitäten der besseren Wings-Alben heran, sind aber ob des stets sympathisch wirkenden Sängers und versierten Musikers nicht nur für Fans ein erneutes Reinhören wert.
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