Frank Quilitzsch ist froh über jedes noch kommende Jahrzehnt.

Ich war am Silvesterabend noch vorm Jahreswechsel im Bett. Nachts wachte ich auf und dachte für einen Moment, es wäre Krieg. Unentwegt blitzte es hinterm Fenster, es ballerte und krachte, und manchmal vernahm ich ein pfeifendes Geräusch, wie bei einer Luftmine. Das ist nur Spiel, begriff ich und drehte mich beruhigt auf die andere Seite.

Der erste Tag im neuen Jahr begann dann so, wie der letzte im alten Jahr endete: mit einem Oldie von Middle of the Road. „Oh, Soley, Soley...!“, zwitscherte Sally. Bei MDR-Thüringen haben sie wieder vergessen, die Bandschleife zu wechseln, dort dudelt weiter das 20. Jahrhundert.

Dabei sind wir doch alle in ein neues Jahrzehnt aufgebrochen, wie die Kanzlerin in ihrer Ansprache betonte. In meinem Alter freut man sich darüber doppelt, denn so viele Jahrzehnte blühen unsereinem nicht mehr. Optimistisch betrachtet: zwei, maximal zweieinhalb. Nicht verzagen. Intensiv nutzen! Nichts mehr auf die lange Bank schieben!

Mut zur Ehrlichkeit wünscht uns die Kanzlerin. Das wünsche ich ihr auch. Es mag ja richtig sein, jeden Ansatz von Panik zu vermeiden, aber zu behaupten, dass wir den Klimawandel „in den Griff kriegen“ können, ist ein Euphemismus. Selbst wenn wir – was im Moment noch nicht so ausschaut – die Minimalziele der CO2-Einsparung doch noch erreichen sollten, nimmt die Katastrophe ihren Lauf.

Die Natur reagiert – und da ist sich die Wissenschaft einig – zeitversetzt auf unsere Versäumnisse. Was wir jetzt tun, wird erst in dreißig Jahren die schrecklichen Folgen abmildern. Jetzt baden wir erst einmal die Sünden der zurückliegenden Jahrzehnte aus.

Das erinnert mich an eine Episode aus Landolf Scherzers Griechenland-Buch „Stürzt die Götter vom Olymp“: Vor einer Taverne hängt ein Schild „Speisen und Getränke umsonst. Alles bezahlen die Enkel“. Ein älterer Mann sieht das und bestellt für sich und seine Frau die teuersten Dinge. Am Ende präsentiert ihm der Wirt eine Rechnung über 850 Euro. Wieso, empört sich der Mann, das war doch alles umsonst, bezahlen sollen die Enkel! Das sei richtig, bestätigt der Wirt. Aber diese Rechnung sei von seinem Großvater.