Frank Quilitzsch über die nachhaltige Wirkung sauren Kaffees.

Wasserkocher zischt, Kaffeepulver schäumt. Gefühlvoll mit dem Löffel an der Oberfläche gerührt, bis die Krümel absinken. Holzdeckel drauf und fertig. Vorsichtig trage ich mein Elixier nach unten ins Arbeitszimmer.

Jeden Morgen, pünktlich um halb acht.

Man kann das ein Ritual nennen. Für mich ist es der Muntermacher. Ohne Kaffee, schwarz und gleich frisch in der großen Tasse gebrüht, ginge gar nichts. Nicht mal diese Kolumne.

Doch heute?

Nachdem ich mir fünf Minuten die Schreibhand an der Tasse gewärmt habe, hebe ich den Deckel, puste und nehme mit spitzen Lippen den ersten Schluck.

Noch heiß. Aber auch…

Sauer?

Meine Geschmacksnerven sträuben sich. Nach dem zweiten Schluck schüttelt’s mich.

Ich sause die Treppe wieder hoch, greife nach der Tüte, die ich mir im Coffeeshop meines Vertrauens habe füllen lassen, und studiere die Produktbeschreibung: vollmundig, nussig, mit zartem Schokogeschmack und leichter Säure.

Leichte Säure?

„Koste mal“, sage ich zu K. und reiche ihr die nun sogar säuerlich riechende Tasse. „Schmeckt wie Essig“.

„Ach“, sagt K., „das i s t Essig! Hast du etwa den Wasserkocher nicht ausgespült?“

Endlich dämmert’s bei mir. Weil wir hartes Wasser haben, befüllt K. alle zwei Wochen das Behältnis mit Essigessenz, damit der Kalk sich löst. Und vergisst jedes Mal, mir Bescheid zu sagen.

Auch das ist ein Ritual: Sie sagt nichts, und ich merke nichts. Ich vergesse es immer wieder. Nein, es ist nicht mein erster Essigkaffee. Damit es mein letzter bleibe, leere ich die Tasse bis zum sauren Satz.

Wie viel hartes Leitungswasser habe ich in meinen fast 64 Jahren schon getrunken? Und wo lagert sich der Kalk im Körper ab?

Vielleicht hat auch mein Gehirn ab und zu eine Spülung nötig.

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