Erfurt. Dave Stewart von den Eurythmics veröffentlicht eine Box voll gepackt mit Musik und Erinnerungen – an sein Leben und die Macht der Kreativität.

Dave Stewart hat jetzt also auch den Blues. Ein bisschen, um genau zu sein. Auf seinem neuen Werk „Ebony McQueen“ sind bei näherer Betrachtung zwar die wenigsten der 26 Songs diesem Musikgenre zuzuordnen. Aber der ideologische Grundbau, wenn man es so nennen möchte. Denn: Ohne den Blues gäbe es den Pop-Musiker Dave Stewart nicht.

Um das zu erklären, muss man etwas ausholen. Mit „Ebony McQueen“ versucht der Eurythmics-Mastermind noch einmal den großen kreativen Wurf. Das Werk ist als Musikalbum konzipiert sowie als Film und als Musical. Während Bühnenfassung und Zelluloid-Version noch umgesetzt werden müssen, gibt es schon mal die Musik. Verpackt in einer großformatigen Box mit LPs, Singles und Kassetten. Ein Werk zum Entdecken – auf die gute alte Art.

Und doch ist das Projekt mehr als nur ein Konzeptalbum. Es ist ein Konzeptwerk mit all seinen geplanten medialen Inkarnationen wie Film und Musical. Der große Begriff des Gesamtkunstwerks scheint hier nicht fern. Und es ist ein Lebenswerk – im buchstäblichen Sinn. Denn Stewart geht zurück zu seinen Anfängen, er vertont quasi seinen Werdegang, seine Geschichte. Es ist in Anbetracht seiner erstaunlichen Karriere eine dieser Alles-ist-möglich-Erzählungen.

Geschichte mit einer fiktionalen Blues-Voodoo-Königin

Die Geschichte von „Ebony McQueen“: Der 16-jährige Charlie trifft auf zwei Frauen, die sein Leben verändern und seinen Hormonhaushalt: Die Nachbarstochter Juniper verdreht ihm den Kopf und die fiktionale Blues-Voodoo-Königin Ebony McQueen als Verkörperung kreativer Kräfte weckt seine Leidenschaft für die Musik und sein Talent.

Das Cover des Albums „Ebony McQueen“ von Dave Stewart.
Das Cover des Albums „Ebony McQueen“ von Dave Stewart. © Bay Street Records

Stewart verfrachtet die Story in das graue nordenglische Universitätsstädtchen Sunderland der Sechzigerjahre, in der er aufgewachsen ist. Seine Geschichte ist seine Inspiration: Während einer Knieverletzung musste Stewart als junger Fußball-Fan den Ball in der Ecke liegen lassen und lernte aus Langeweile Gitarre spielen, mit den Bluesplatten seines großen Bruders.

Der Blues, die aufkommende Popmusik, Beatlemania, die Stones, Hendrix, Velvet Underground, David Bowie – Stewart wird zum Musikfan und Meistermusiker. Er trifft Annie Lennox, gründet mit ihr die Eurythmics, das Duo schreibt einige der markantesten Hits der Achtzigerjahre. Die Band wurde jüngst, im Juni dieses Jahres, in die Rock’n’Roll-Hall-of-Fame aufgenommen. Stewart bleibt auch nach der Hochphase der Band ein gefragter Songschreiber und Produzent, arbeitet mit Bob Dylan, Mick Jagger, Jon Bon Jovi, oder Joss Stone. Er lebt heute auf den Bahamas.

Popmusikalisch in einer englischen Tradition

Nun lässt er seinen imaginären Protagonisten aus der englischen Kleinstadt-Tristesse heraus die große weite Welt entdecken mit den Mitteln und dem Zauber der Musik, so wie er einst.

Es gehe um die Wege, die man im Leben einschlage oder eben nicht, sagt Stewart. Mit dem Konzept, zumal von der eigenen Vita inspiriert, steht er popmusikalisch in einer englischen Tradition, man denke an die Rockopern „Tommy“ oder „Quadrophenia“ Ende der Sechziger-, Anfang der Siebzigerjahre von The Who. Oder – jüngeren Datums und ebenfalls als Musical adaptiert – „The last Ship“ von Sting, der aus der benachbarten Hafen- und Arbeiterstadt Wallsend stammt.

Rein musikalisch betrachtet wäre der Begriff Rockoper jedoch irreführend – Pop-Oper ist treffender. Denn Stewart bleibt in dem Metier, in dem er Meister ist. Er erfindet auf „Ebony McQueen“ das Rad nicht neu, aber er stattet das Werk in hoher Dichte mit eingängigen Melodien aus, vielschichtig arrangiert und eigenspielt mit Gastmusikern wie Dan Auerbach oder Ringo Starr und holt sich das 60-köpfige Budapest Scoring Orchestra ins Studio sowie eine Brass Band.

Music-Hall-Tradition belehnt

Neben dem erwähnten Bluesanleihen schwelgt die Musik tief in der Music-Hall-Tradition, Stewart lässt sich von Rogers-and-Hammerstein-Musicals inspirieren, die sein Vater hörte, und verneigt sich gekonnt vor den Helden seiner Jugend, mit Harmonien und Akkorden, die sicher nicht zufällig an die Beatles oder Kinks erinnern.

„Ebony McQueen“ überzeugt als Konzeptkunst und als Musikalbum. Die Fokussierung auf Musicaltauglichkeit hört man indes vielen Songs an. Vielleicht ist es deshalb nicht zwingend die beste Pop-Platte Stewarts, aber eine seiner vielseitigsten. Und vielleicht sogar seine wichtigste.

Ja, Dave Stewart hat den Blues. Nur spielt er ihn nicht als Lamento mit drei Akkorden, sondern als Hymne an das Leben, ausgestattet mit einer breiten Palette an Farbtönen.

Formate und Inhalt

Die Formate: „Ebony McQueen“ von Dave Stewart gibt es (bisher) nicht als CD-Version, nur über digitale Kanäle und als Box-Set.

Digital: Die 26 Songs kann man über die gängigen Anbieter streamen oder downloaden.

Box-Set: Kernprodukt von „Ebony McQueen“ ist eine limitierte Box im LP-Format, mit verschiedenen Tonträgern. Der Inhalt:

  • drei LPs (weiß, grau und schwarzes Vinyl) mit 26 Songs,
  • zwei Singles (farbiges Vinyl),
  • zwei Musikkassetten mit Akustik- und Klavierversionen der Songs des Albums,
  • ein 48-seitiges Lyrik- und Fotobuch,
  • ein Downloadcode.