Finsterbergen. Zum 150. Geburtstag von Martin Andersen Nexö.

Noch Mitte des vergangenen Jahrhunderts war er ein viel gelesener Autor und sogar für den Nobelpreis im Gespräch. Heute kennen seinen Namen nur noch wenige, zumeist ältere Leser. Andersen, der dänische Märchendichter? Nein, nicht Hans Christian, sondern Martin Andersen. Um Verwechslungen mit dem berühmten Vorgänger und Tausenden anderen Andersens in seiner Heimat zu vermeiden, hängte sich der dänische Schriftsteller ein Nexö an.

Heute vor 150 Jahren wurde Martin Andersen Nexö, der Verfasser der Romane „Pelle der Eroberer“ und „Ditte Menschenkind“, in Kopenhagen geboren. Kaum jemand hat die soziale Wirklichkeit seiner Zeit so schonungslos beschrieben wie er, der als Kind die Armut am eigenen Leibe verspürte. Und obwohl die „Pelle“-Verfilmung 1988 die Goldene Palme in Cannes und einen Oscar als bester fremdsprachiger Film gewann, ist Martin Anderson Nexö im 21. Jahrhundert weithin vergessen.

Wirklich? Nicht in seiner Heimat, wo man stolz auf sein Werk ist. Nicht in Dresden, wo er 1954 starb und heute ein Gymnasium seinen Namen trägt. Und auch nicht im thüringischen Finsterbergen, das er mehrfach besuchte und dem er ein literarisches Denkmal setzte.

Vor Wochen bereits mahnte unser Leser Konrad Hüther, das Jubiläum nicht unerwähnt verstreichen zu lassen. Der 82-jährige Diplomingenieur und Gerhart-Hauptmann-Liebhaber hat in dieser Zeitung schon mehrfach an die Aufenthalte Andersen Nexös von 1905 bis 1911 in dem heutigen Ortsteil von Friedrichroda erinnert. Im Finsterbergener Heimatmuseum, das dem Dichter seit Langem eine kleine Dauerausstellung widmet, wird heute Abend, 19 Uhr, aus seiner Erzählung „Die Puppe“ gelesen. Schon wegen der darin enthaltenen Lobpreisungen des Thüringer Waldes genießt der sozialromantische Text hierzulande Kultstatus: „Wie eine Welt für sich liegt er da, hoch unter den Himmel emporgehoben, erdrückend düster oder auch festlich in weißen Schnee gekleidet, und scheint alles von des Himmels Zorn und des Himmels Gnade zu haben.“

Auf Hüthers Anregung habe ich die Erzählung über das harte Leben der Puppenmacher gelesen und bin ob ihres märchenhaften und dennoch starken realistischen Gehalts ergriffen. Demnächst werde ich in Finsterbergen auf dem Martin-Andersen-Nexö-Weg wandern. Aber nicht nur wir Älteren halten das Andenken an den dänischen Schriftsteller, Sozialdemokraten und Kommunisten hoch, der sich 1952 in Dresden niederließ. Am dortigen Martin-Andersen-Nexö-Gymnasium beschäftigen sich heute die Schüler mit Leben und Werk des Autors. Und MDR-Kultur sendet bis Freitag täglich jeweils von 9.05 bis 9.35 Uhr und von 19.05 bis 19.35 Uhr eine Hörspielfassung von „Pelle der Eroberer“.