Wien. Seit 25 Jahren ermittelt Harald Krassnitzer als Oberstleutnant Eisner in Wien. Zum Jubiläum gibt es ein absolutes Novum: In „Dein Verlust“ sitzt der Ermittler in einer Gefängniszelle.

„Sie sind vorläufig festgenommen.“ Der Satz ist in einem Krimi normalerweise wenig originell. Anders im neuen „Tatort“ aus Wien. Er gilt nämlich Oberstleutnant Moritz Eisner alias Harald Krassnitzer. Der Ermittler ist ins Fadenkreuz der Ermittlungen geraten. Dabei fängt in der Folge „Dein Verlust“ (Sonntag, 20.15 Uhr, Das Erste) für Eisner alles so fröhlich an. Mit vielen Freunden und einer sehr aufgeräumten Bibi Fellner (Adele Neuhauser) feiert der Kommissar ausgelassen seinen 60. Geburtstag. „So wie es ist, so soll es bleiben“, flüstert der stark betrunkene Eisner seiner Kollegin Fellner während eines Kuschelmoments auf dem Sofa ins Ohr.

Nein, so bleibt es nicht. In einem Wiener Nachtclub wird der Besitzer erschossen aufgefunden. Fellner muss allein zum Tatort fahren, denn Eisner liegt noch wie tot in seiner Wohnung. Als er endlich auftaucht, deutet sich bereits eine erste Spur an. Ein enger Mitarbeiter des Nachtclubbesitzers hat 20 000 Euro unterschlagen. „Da sind sie natürlich ordentlich zusammengekracht“, gibt die Frau des Opfers über den Streit der beiden Männer zu Protokoll. Und als der Club-Angestellte während einer Verfolgungsjagd auch noch auf die Polizei schießt, macht er sich noch verdächtiger. Bis dann die Handlung mit Wendungen aufwartet, die plötzlich Eisner selbst in ein düsteres Licht rücken: In seinem Müll findet sich die Tatwaffe. Schlimmer noch: Seine DNA-Spuren werden am Tatort gefunden.

Für Krassnitzer ist die Rolle als Verdächtiger neu - und das in seinem 25. Jahr als Ermittler Moritz Eisner. Generell fühlt sich der in Wuppertal und Tirol lebende Schauspieler immer noch pudelwohl mit den zwei bis drei „Tatort“-Krimis, die er pro Jahr dreht. „Frisch und lebendig“, sei es auch nach diesem Vierteljahrhundert noch mit dem Team. „Wäre es Routine, wären es nicht 25 Jahre geworden“, sagt der 63-jährige Österreicher der Deutschen Presse-Agentur. Das Duo Eisner-Fellner gilt unter den rund 20 Ermittler-Gespannen der Krimi-Serie als besonders beliebt bei den Zuschauern. Aus Sicht von Krassnitzer ist ein Erfolgsrezept die Nahbarkeit der Figuren. „Wir sind keine Helden, sondern gebrochen, unfertig, angreifbar und verletzlich, und wir geben das auch zu erkennen.“

Über die Zusammenarbeit mit seiner TV-Partnerin Neuhauser schwärmt Krassnitzer. Da habe die Chemie vom ersten Augenblick an gestimmt. In seiner Karriere sei er niemandem begegnet, mit dem er so gut harmoniere. Seit elf Jahren ermitteln die beiden gemeinsam. Dabei sah das Konzept vor, dass der durchaus grantige, launige Eisner als „einsamer Wolf“ sich nur sehr schwer an seine Kollegin gewöhnen sollte. Das hat inzwischen geklappt.

Gerade in dieser Folge muss der Oberstleutnant auf die unerschütterliche Loyalität von Majorin Fellner vertrauen. Während der Kommissar in einer Zelle Panik bekommt, sucht sie beharrlich nach entlastenden Indizien. Für Krassnitzer war die Dreh-Erfahrung mit der Enge eines vergitterten Raums ein sehr nachdrückliches Erlebnis. „Moritz Eisner bricht komplett ein, sein Körper entgleitet ihm, sein Geist legt ihn lahm, er hat nichts mehr unter Kontrolle und spricht wieder und wieder diesen Satz vor sich hin: "Das gibt es doch nicht, das kann doch nicht wahr sein!"“, sagte Krassnitzer im ARD-Interview. Eine bevorzugte Behandlung als Kollege lehnt Eisner strikt ab. „Es wird ermittelt, ganz normal ermittelt“, schwört er das Polizeiteam auf absolute Professionalität ein.

Gefühle spielen in diesem von Regisseurin Katharina Mückstein in Szene gesetzten „Tatort“ eine große Rolle - auch bei der Suche nach dem Motiv für den Mord. Immer mehr verlagert sich der Schwerpunkt der Handlung auf Fellner und ihre ehemaligen Fälle.

Für Krassnitzer ist sein 25-Jahre-Jubiläum als Tatort“-Ermittler keine Bruchstelle. Jahrestage interessierten ihn grundsätzlich wenig. Er begehe selbst seinen Geburtstag nicht, sagt er. Für 2024 stünden jedenfalls Dreharbeiten zu weiteren drei Folgen aus Wien auf dem Programm. Neben Lesungen und anderen Projekten werde er hoffentlich Zeit genug finden, um in der Natur zu entspannen, Musik zu hören und zu lesen, so der Schauspieler. Die höchst angespannte Weltlage gehe auch an ihm nicht spurlos vorüber. Aber er sei „pessimistischer Optimist“ - „am Ende wird alles gut“ - in der Welt und beim „Tatort“.