Dreifachmama Kathrin Kondaurow wechselt vom Deutschen Nationaltheater Weimar an die Spitze der Staatsoperette Dresden.

Im Moment bewältigt sie eine Art Dauer-Spagat: zwischen Weimar, wo sie noch mit ihrer Familie lebt und sich zuletzt als Musiktheater-Dramaturgin am DNT Meriten erwarb, und ihrer künftigen Heimat und Wirkungsstätte Dresden. Dort tritt sie zwar erst im August offiziell die Intendanz an der Staatsoperette, Deutschlands einzigem selbstständigen Operettentheater, an. Doch sie arbeitet sich bereits seit Monaten in die neue Aufgabe ein: Kathrin Kondaurow, gebürtige Berlinerin, verheiratet, Mutter von drei Kindern, richtet ihren Blick sogar schon auf die Spielzeit 2020/21. Dem Spielplan 2019/20, ihrem ersten als Intendantin, hat sie bereits unmittelbar, nachdem sich die Findungskommission im Herbst 2017 auf sie verständigt hatte, ihren Stempel aufgedrückt.

Die 35-Jährige hat sich unter knapp 40 Bewerbern – darunter nur zwei Frauen – durchgesetzt. Nicht, weil sie eine Frau ist, womöglich eine Quoten-Frau. Sondern weil sie eine Frau ist, die hohe Fachkompetenz mitbringt und der es zuvorderst um das Theater, nicht um das eigene Ego und Renommee bestellt ist. Gleichwohl sollte sich niemand von ihrer feengleichen Gestalt täuschen lassen: Kathrin Kondaurow kann ihre Überzeugungen durchaus bestimmt vertreten und sehr erfolgreich auf Augenhöhe verhandeln.

Vielleicht hat sie sich solche Management-Fähigkeiten während ihrer profunden Ausbildung erworben, womöglich bringt sie sie aber auch mit, weil sie sie im Kleinen tagtäglich erprobt: Denn als Mutter von zehnjährigen Zwillingstöchtern und einem achtjährigen Sohn muss Kathrin Kondaurow auch zu Hause am Familientisch verhandeln. Zum Beispiel über den Klavierunterricht, zu dem sie ihre Kinder angemeldet hat, weil sie und ihr Mann sich darin einig sind, dass sie den Kindern das Klavierspiel als musikalische Grundausbildung mitgeben möchten. Auch wenn die Lust zum Üben an manchen Tagen nicht sonderlich groß ist.

Mit den Kindern ins Theater

Kathrin Kondaurow ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, dass Frauen keineswegs zu bequem dazu sind, die Hälfte der Welt nicht nur zu beanspruchen, sondern auch zu erobern. Nicht zu bequem dazu, sich anspruchsvolle Ziele zu stellen und, ja, auch nach den Sternen zu greifen. „Für mich sind die Familie einer- und der Beruf andererseits nie in zwei Welten zerfallen“, sagt sie. Erst beides zusammen ergebe für sie einen Sinn, eines sei organisch mit dem anderen verbunden. Für sie sei schon immer klar gewesen, dass sie jung Mutter werden wollte – so wie ihre eigene Mutter bei ihrer Geburt jung war.

Weil sie das Glück gehabt habe, schon während des Studiums – Jura, Musikwissenschaft, Kulturmanagement und französische Literaturwissenschaft in Berlin, Weimar und Jena – mit ihrem Mann den Partner fürs Leben kennenzulernen, der den Wunsch nach einer eigenen Familie teilte, wurde sie bereits im Studium Mutter. Als sie es abschloss, waren alle drei Kinder geboren und ihre beruflichen Ambitionen mitnichten Schnee von gestern. Kathrin Kondaurow hat ihre Kinder, so oft es möglich war, mit zur Arbeit genommen, ihnen das Theater gezeigt, erzählt, wie das so geht, ein Stück auf die Bühne zu bringen, wie viele Menschen daran beteiligt sind, wie wichtig jeder einzelne an seinem Platz für eine gelungene Aufführung ist. Das DNT, sagt sie, hat die Vorstellungen ihrer Kinder von Theater geformt: „Als sie das erste Mal das Kraftwerk Mitte, die neue Spielstätte der Dresdener Staatsoperette, gesehen haben, waren sie irritiert“, erzählt die designierte Intendantin schmunzelnd. „,Das soll ein Theater sein?‘ fragten sie. Aber inzwischen finden sie es sehr gut.“

Die Tage, an denen Kathrin Kondaurow jetzt in Dresden ist, sind prall gefüllt: Denn sie will die Zeit, in der sie nicht „links und rechts nach der Familie schauen muss“, optimal nutzen. Sie spricht mit den Regieteams, baut das künstlerische Ensemble ihren Vorstellungen entsprechend aus, besetzt Vakanzen, feilt an den Details der Spielplanung für 2020. Daneben gibt es Gespräche mit Vertretern der Stadt, mit der Musikhochschule, der Musikschule und mit anderen lokalen Akteuren, gibt es Pressekonferenzen und Interviews.

Ihre Intention: die Operette, der oft Etiketten wie „sentimental“ und „rührselig“ anhaften, wieder zu einem jungen, zeitgenössischen Genre zu machen, den Sound des realen Lebens auf die Bühne zu bringen und aus der Reibung zwischen dem rauen Industrie-Charme der neuen Spielstätte einer- und dem Genre andererseits etwas zu erschaffen, was wieder mehr der Operette in ihrer ursprünglichen Form entspricht: frech, grotesk, scharfzüngig, auch politisch zu sein. „Ich versuche eine Neudefinition dessen, was hochwertige Unterhaltung ist“, sagt Kathrin Kondaurow durchaus selbstbewusst. Sie will die Konturen des 250 Mitarbeiter zählenden Hauses schärfen – nicht zuletzt auch mit Blick etwa auf die Semperoper, die zum Beispiel mit Offenbachs „Großherzogin von Gerolstein“ ebenfalls eine Operette inszeniert, und die vielen privaten Dresdener Theater, die im Unterhaltungsgenre unterwegs sind.

Kunst und Management verbinden

Die Weimarerin weiß, dass Abgrenzung genauso wichtig ist wie Vernetzung, zumal die Staatsoperette mit ihrer neuen Spielstätte nun auch im Zentrum der Stadt angekommen ist. „Ich habe vor kurzem zum Intendanten der Semperoper gesagt: Wenn wir schon in zeitlicher und räumlicher Nähe Operette auf die Bühnen bringen, dann können wir das auch beide nutzen und uns eine gemeinsame Marketingstrategie überlegen.“ Denn die Verbindung von Kunst und Management ist etwas, was ihr schon immer Freude bereitet hat. Und was sie als essenziell empfindet.

Aus Weimar bringt Kathrin Kondaurow auch einige Kollegen mit nach Dresden: Sängerinnen und Sänger, die Ausstattungsleiterin, eine Mitarbeiterin aus dem Kunstfestteam. Auch Regisseur und Dramatiker Jan Neumann, der für die Staatsoperette eine Revue zum Start in die neue Spielzeit schreibt, kennt sie aus der Zusammenarbeit am DNT. Sich selbst sieht die künftige Intendantin – anders als es beispielsweise bei Hasko Weber am DNT der Fall ist – allerdings nicht als Regisseurin, wenngleich sie sich inhaltlich-künstlerisch natürlich weiterhin in die Produktionen einbringen will.

Eine Wohnung in Dresden, in der erstmals auch jedes der drei Kinder ein eigenes Zimmer haben wird, ist bereits gefunden, auch die Schulen, auf die Sohn und Töchter nach den großen Ferien wechseln werden, hat die Familie schon ausgewählt. Kathrin Kondaurow ist sich ganz sicher, dass die Verbindung nach Weimar nicht abreißt: „Alle drei Kinder sind in Weimar geboren, mein Mann wird von Dresden aus weiter in seiner Weimarer Firma arbeiten, und in Weimar haben wir viele Freunde“, sagt sie. Außerdem könne sie sich immer Rat etwa bei Hasko Weber oder Chefdramaturgin Beate Seidel holen. „Es wird“, versichert sie lächelnd, „immer einen Bezug geben.“