Jena/Weimar. Einzigartiges Kunstprojekt entlang der Gleise von Jena nach Weimar sucht noch Musiker, Radios und Autos.

Der längste Orchestergraben der Welt soll am 7. März zwischen Jena und Weimar für einen Nachmittag entstehen: An diesem Sonnabend werden Musiker und Sänger an der Bahnstrecke zwischen den beiden Städten Beethovens Klassiker „Ode an die Freunde“ für vorbeifahrende Züge erklingen lassen – in beide Richtungen. Sie musizieren und singen in Vorgärten, auf Wegen, Äckern und selbst auf Hausdächern.

Die Zugreisenden empfangen das kurze Lied via Radiogerät, das privat mitgebracht oder auch ausgeliehen werden kann. Verantwortlich für die ungewöhnliche Kunstaktion „Moving Landscapes“ ist das Duo Datenstrudel. Dahinter verbergen sich die Berliner Medienkünstler Jörn Hintzer und Jakob Hüfner, die sich an der Bauhaus-Uni Weimar eine Professur teilen.

Bereits 2017 hatten die beiden mit einem ähnlichen Projekt für großes Aufsehen gesorgt. Ihre schräg-humorvolle Inszenierung für vorbeifahrende Züge zwischen Jena und Naumburg „Bewegtes Land“ gewann beim größten Kreativwettbewerb im deutschsprachigen Raum, dem ADC-Kreativwettbewerb, einen Grand Prix. Laut Jörn Hintzer wurden Berichte über dieses erste Zug-Projekt weltweit über 50 Millionen Mal angesehen.

Wurden 2017 bizarrste Theaterszenen von der Haiattacke auf der Saale bis zur krakeelenden Urmenschen-Horde entlang der Gleise aufgeführt, steht im Beethovenjahr 2020 die Musik im Vordergrund. Mindestens 200 Akteure werden auf einem 2,5 Kilometer langen Abschnitt bei Großschwabhausen ihren Einsatz haben, darunter die Jenaer Brass Band Blechklang, die Philharmonischen Chöre aus Jena und der Männerchor Großschwabhausen. Wer mitmusizieren möchte, meldet sich bis zum 28. Februar im Internet unter www.datenstrudel.de/zugkonzert an.

Die Zugreisenden empfangen das Konzert via Radio.
Die Zugreisenden empfangen das Konzert via Radio. © Datenstrudel | Datenstrudel

Dirigiert wird dieser Konzertspaß vom jungen Belgier Martijn Dendievel, der als bester Nachwuchsdirigent Mitteldeutschlands ausgezeichnet wurde. Er wird sich in der Mitte der Strecke positionieren und über Walkie-Talkie mit elf Subdirigenten in Verbindung stehen. Es werden jeweils nur die Musiker spielen, die vom Zug aus zu sehen sind. Die Initiatoren haben für diesen Tag extra eine lokale Radiofrequenz bei der Bundesnetzagentur beantragt. Um den Hörern im Zug möglichst viele Radios zur Verfügung stellen zu können, hätten die beiden Künstler „sämtliche Flohmärkte zwischen München und Berlin aufgekauft“, sagt Jörn Hintzer. Zugleich freuen sich die beiden über weitere Radiospenden. Sie können bei Radio Lotte in Weimar oder Radio OKJ in Jena abgegeben werden.

„Moving Landscapes“ ist Teil des Thementages der Jenaer Philharmonie „Der Klang von Jena“ am Wochenende 7. und 8. März. Am Sonntag um 11.30 Uhr sollen bereits erste Filmaufnahmen des Zugprojektes im Volkshaus präsentiert werden.

„Alle reden von gesellschaftlicher Spaltung“, sagt Jörn Hintzer. „Wir wollen ein künstlerisches Spektakel schaffen, das die verschiedensten Gemeinschaften zusammenbringt – Stadt und Land, Jung und Alt. Im Vorgängerprojekt hätten selbst ein eritreischer Flüchtling und ein Reichsbürger mitgewirkt. Hintzer ist sich sicher: „Wenn man die Probleme Europas lösen will, muss man das Land stärker in den Fokus rücken. Wir wollen der ländlichen Region eine Stimme geben.“

Das Projekt:

Veranstaltungsort: auf der Zugstrecke zwischen Weimar und Jena West, kurzer Abschnitt bei Großschwabhausen

Zeit: Sonnabend, 7. März,
13 bis 16 Uhr, zwölf Aufführungen für zwölf Züge

Radioleihe: Bahnhof Jena-West und Hauptbahnhof Weimar

Hilfe erbeten: Es werden Besitzer von Kleinbussen gesucht, die Shuttledienste übernehmen. Außerdem sollen ihre Fahrzeuge den Musikern als mobile Aufenthaltsräume zum Aufwärmen dienen. Kontakt: www.datenstrudel.de/zugkonzert