Frank Quilitzsch über ein halbes Jahr Geisterspiele.

Etwas war anders. Als Hansa Rostock am Samstag in der 3. Liga gegen den Halleschen FC das Siegtor schoss, brauste plötzlich Jubel auf. Aus der Konserve? Nein, live! Tatsächlich verloren sich, da auf Abstand platziert, 702 auf Covid-19-getestete Fans auf den Rängen. Sie spektakelten für 70.000.

Ich fühlte mich in meiner Sportschau-Ruhe gestört. Man hat sich doch schon so an die Geisterspiele gewöhnt, an diese Stille, die seit einem halben Jahr in den Stadien herrscht. Das letzte Spiel mit Zuschauern hatte im deutschen Profi-Fußball am 1. November 2020 stattgefunden. Damals verlor in der 2. Bundesliga der Karlsruher SC 3:4 gegen den SV Darmstadt – vor 450 Zuschauern!

Nicht, dass ich etwas gegen Fangesänge hätte. Ich würde schon gern mal mit den Anhängern des FC Liverpool „You’ll never walk alone“ anstimmen. Oder „Glück auf, der Steiger kommt!“ auf Schalke. Leider geht der Steiger gerade. Dann eben bei Erzgebirge Aue.

Aber zurück zur Geisterspiel-Kultur. Sie hat einen Vorzug: Man hört, was man in vollen Stadien nie zu hören bekommt: das permanente Gebrüll der Trainer und Spieler. Auch wenn die Verbalattacken nicht immer stubenrein sind, sind sie doch oft dramatischer als das Geschehen am Ball.

Allerdings reicht nichts an den Spruch meiner 90-jährigen Urgroßmutter heran, die wir mal zum Kreisklassen-Derby zwischen Mühlbeck und Friedersdorf (70 Zuschauer) mitgenommen hatten. Sie regte sich auf, weil der Schiedsrichter, der auch noch aus dem Nachbardorf war, ein Tor nicht gab. Als wir ihr erklärten, dass unser Spieler im Abseits gestanden hatte, erwiderte sie trocken: „Dann muss er eben beim nächsten Mal ein Stück rübberrucken.“