Sondershausen. Das Loh-Orchester Sondershausen feiert dieses Wochenende sein mindestens 400-jähriges Bestehen.

Auf viele Schultern verteilt sich beim Feiern die Ar­beit: Sämtliche Chefs aus 400 Jahren – so weit zur Anreise fähig – erweisen dem Loh-Orchester ihre Reverenz und dirigieren die beiden Jubiläumskonzerte an diesem Wochenende. Max Bruch, der prominenteste aus den langen Annalen, muss da naturgemäß fehlen, doch Horst Förster, Peter Stangel, Hiroaki Masuda und Markus L. Frank stehen dem aktuellen „General“ Michael Helmrath gerne bei. Ihr Auftritt in Sondershausen ist lange ausverkauft, fürs Konzert am Sonntag in Nordhausen gab es zumindest gestern noch Restkarten.

Zwei Städte und zwei Landkreise erfreuen sich „ihres“ Orchesters, das seit der Fusion 1991 ein gemeinsames ist. Die längere, ältere Tradition geht freilich auf das Loh-Orchester als ehemalige Sondershäuser Hofkapelle zurück, deren Gründung anhand überlieferter Quellen allerdings nicht exakt datierbar ist. Christa Hirschler, Leiterin des Schlossmuseums in Sondershausen, nennt in der zum fröhlichen Anlass erscheinenden Festschrift die Leichenpredigt auf Tobias Michaels als ältesten Hinweis auf die Existenz eines Ensembles bei Hofe; der 1657 Verstorbene, heißt es da, habe sich ab 1619 als „Grafflicher Schwarzburgischer Capellmeister“ verdient gemacht, bevor er 1631 als Thomaskantor nach Leipzig ging. Das bedeutet: Gewiss ist das Orchester noch älter; nur belegen lässt sich das nicht.

Die ersten Jahre, Jahrhunderte versahen die Musici ohnehin ihre Dienste vornehmlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu repräsentativen, un­­terhaltsamen Zwecken des Regenten; zudem begleiteten sie Kirchenmusiken. Trotzdem muss die Kapelle damals bereits bemerkenswerte Qualitäten aufgeboten haben, sonst hätten Komponisten wie Telemann und Stölzel kaum so emsig für sie geschrieben. Unter Kennern gelten die Archive im Schloss bis heute als wahre Fundgrube barocken Notenmaterials, das unter anderen der weltläufige, kunstsinnige Fürst Günther I. (reg. 1720-1740) für seine 30-köpfige Kapelle aus aller Welt organisierte.

Erst ein weiteres Menschenalter später gewährte Fürst Günther Frie­drich Carl I. (reg. 1794-1835) dem Volke Teilhabe am klangvollen Luxus und richtete 1805 die „Loh-Konzerte“ ein: Die Freiluftveranstaltungen bei freiem Eintritt am Rande des Schlossareals erfreuten sich größter Beliebtheit, denn die Musik gehörte unbedingt zum Genuss-Repertoire eines erstarkenden Bürgertums. Der seltsame Titel dieser Events hat damit zu tun, dass aus dem angrenzenden Wäldchen Gerbstoffe (Lohe) gewonnen wurden. Und deshalb taufte man den Klangkörper, als er 1918 nach Abdankung des Fürsten voll­ends zur bürgerlichen Institution geadelt wurde, auch auf den Namen Loh-Orchester.

Seine bisher größte Zeit hatte das Ensemble da schon überschritten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts genoss es den vorzüglichsten Ruf. Gern war Franz Liszt zu Gast, brachte eigene Werke und die seiner neudeutschen Freunde wie Wagner, Berlioz und Raff zu geneigtem Gehör – nachdem das konservative Publikum in Weimar sich, bis zum finalen Eklat, über die Neutöner mokiert hatte. Der Dirigent Hans von Bülow, Loriots Großvater und erster Gatte von Liszts Tochter Cosima, befand 1856 in der „Neuen Zeitschrift für Musik“, dass die Loh-Konzerte „die erfreulichste Verbreitung künstlerischer Bildung zur Folge haben muß“, und Max Bruch, 1867 bis 1870 als Kapellmeister engagiert, schrieb in Sondershausen sein berühmtes Violinkonzert. Der Nimbus als Musikstadt wurzelt vor allem in jener Ära.

Heute teilen 55 Musiker, nach einigen Turbulenzen unter zwei Diktaturen sowie in der Nachwendezeit, sich 52 Planstellen. „Das Problem ist weniger die Orchesterstärke als die Größe des Grabens im Nordhäuser Theater“, bemerkt Intendant Daniel Klajner. Das wird sich mit dem bevorstehenden Umbau ändern, und natürlich ersehnt Klajner eine kleine Aufstockung des Personals. Immerhin kann er es voll nach dem höheren TVK-B-Tarif bezahlen; das sichert eine substanziell gute Qualität. Dabei bildet solch ein Orchester nicht bloß einen Abokonzert-Abspielverein, sondern eine musikalische Infrastruktur für die ganze Region.

Der Solo-Cellist Sebastian Hennemann erzählt, dass viele seiner Kollegen zum Beispiel Schüler unterrichten oder – so wie er selbst auch – mit Kammermusikformationen die Städte und Landkreise bespielen. – So steht das Loh-Orchester heute wie je als integraler Teil des gesellschaftlichen Lebens fest in dessen Mitte. Und das ist der schönste Grund, es zum Jubiläum zu feiern.

Festkonzerte: Sa, 17 Uhr, Acht­­eck-haus Sondershausen; So, 18 Uhr, Theater Nordhausen