Berlin. Früher jobbte er als Stagehand, dann machte er sich in der Indie-Szene einen Namen. Singer-Songwriter Olli Schulz überrascht nun mit seiner neuen Platte und persönlichen Einblicken.

„Der ist älter geworden“ - manche halten diesen Satz für uncharmant, andere reagieren beleidigt, wenn sie aufs Älterwerden angesprochen werden. Olli Schulz ist seit seinem letzten Album älter geworden - das bringt natürlich der Lauf der Zeit so mit sich, aber vor allem klingt seine neue Platte „Vom Rand der Zeit“ reifer als die Vorgänger. Rund sechs Jahre sind seit „Scheiß Leben, gut erzählt“ vergangen, das bei Kritikern und Fans keine Begeisterung auslöste.

Mit seiner neuen Platte legt der 50-Jährige sein bislang ernstestes Album vor. Der zunächst ruhig und verträumt beginnende Opener „Einfach so“ vermittelt im Verlauf Aufbruchstimmung und eine gewisse Leichtigkeit „Es wird Zeit, dass unser Herz wieder blüht einfach so“ singt Schulz. Aufstehen, losgehen - der Song gleicht einem Befreiungsschlag.

Diese optimistischen Töne bilden aber eher die Ausnahme auf Schulz' neuem Werk. Der Wahlberliner lässt seine Hörerinnen und Hörer teilhaben an den Fragen des Lebens, die er sich stellt. „Doch wer ich heute bin, mein Gott wer weiß das schon“ heißt es etwa in „Bessere Version“. Er suche noch immer nach dem Bild von sich und der Welt in einer besseren Version und spiele eine Rolle, die er selbst kaum ertrage.

Nostalgie pur

Immer wieder blickt der Musiker auf „Vom Rand der Zeit“ zurück in die Vergangenheit, schlägt nachdenkliche Klänge an und begibt sich tief in seine Nostalgie. Exemplarisch dafür steht „Silvester“, in dem Schulz das Gefühl besingt, das wohl jeder zum Jahresende kennt: Auf dem Balkon stehen, draußen fliegen die Raketen und da sind Gedanken an die Menschen, die einem fehlen.

In dem emotionalen Song lässt Schulz auch die Geburt seines zweiten Kindes einfließen und verbindet das mit dem Neuanfang, den ein neues Jahr und eine Geburt gemeinsam haben.

„Die Message ist: Du freust dich, dass dieses Kind auf die Welt kommt. Und je mehr die Tage voranschreiten, desto mehr denkst du: Ich hab dieses Leben erzeugt, und ihm damit aber auch den Tod geschenkt“, sagte Schulz kürzlich über das Lied zur „taz“. „Und dann guckst du dir diese Welt gerade an, die Zukunftsperspektiven, die dieses Kind haben wird, in den nächsten Jahrzehnten, die es hoffentlich auf diesem Planeten herumläuft.“ Da bekomme er manchmal Angst.

Auch weitere Songs wie der titelgebende Track sind durchzogen von Schwere. Darin verliert der Protagonist seinen Vater und verbringt als verlorene Gestalt die Zeit in der Kneipe: „Der Alte wurde müde und verließ dann den Planeten“. Der Singer-Songwriter spielt geschickt mit Sprache und lässt dabei gepaart mit durchdachten Arrangements Bilder im Kopf entstehen.

Schluss mit den lustigen Songs?

Für Albernheiten ist in den elf Songs auf der Platte kein Platz. Während Schulz früher mit Songs wie „Mach den Bibo“ „H.D.F.K.K“ (Halt die Fresse, krieg'n Kind“) oder auch dem „Rangel Song“ für Lacher sorgte, scheint er heute deutlich bedachter zu sein. Zwar kann er sich noch immer im gemeinsamen Podcast mit Entertainer Jan Böhmermann schnell aufregen und den einen oder anderen derben Witz - Schulz würde „Pimmelwitz“ sagen - machen, doch die Zeiten, in denen er betrunken als Sidekick Schulzkowski von den Showstars Joko und Klaas am roten Teppich Promis interviewte, sind vorbei.

Seiner Musik tut dieser Wandel der letzten Jahre gut. Mit den ruhigen Tönen, viel Wärme und emotionalen Texten knüpft Schulz an „Feelings aus der Asche“ (2015) an. Olli Schulz ist zurück und das vielleicht sogar in seiner besten Version.