Hamburg. Einer der wichtigsten Vertreter der Neuen Deutsche Welle feiert 75. Geburtstag. Und zwar am Wasser. Im Rückblick erzählt Jochim Witt, wie er sich zurück ins Musikgeschäft gekämpft hat.

Er gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Neuen Deutschen Welle, wurde mit „Goldener Reiter“ bekannt und hat sich nach einer langen Pause Ende der 90er zurück ins Musikgeschäft katapultiert: Joachim Witt feiert am 22. Februar seinen 75. Geburtstag - und im Rückblick findet der Musiker, dass vor allem die nicht so erfolgreichen Zeiten ihn geprägt und geformt haben, wie Witt der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg sagte.

„Kämpfen zu müssen, muss nicht schlecht sein. Es schärft unter Umständen den Blick für das Wesentliche. Umso schöner ist es, wenn man seinen Weg wieder gefunden hat.“

Die Neue Deutsche Welle

Und Witts Weg hatte viele Kurven, Berge und Täler: Die Neue Deutsche Welle entstand gegen Ende der 70er Jahre als eine deutsche Art Antwort auf Punk und New Wave. Die Musik wurde minimalistisch gehalten, die Beats waren treibend-stampfend, dazu schnarrten verzerrte Synthie-Klänge aus den Boxen und die Texte zeichneten sich durch eine gewisse Rohheit und Brutalität aus - eine ungeschönte Gesellschaftskritik war das Herzstück dieses Genres. Viele Bands und Künstler surften auf dieser Welle, so auch Joachim Witt, der das Genre maßgeblich prägte.

„Goldener Reiter“ von seinem 1980er-Debütalbum „Silberblick“ schlug allerdings erst Monate später durch, als der Song als Single auf den Markt kam. Dann aber wurde er ein Hit, landete auf Platz zwei der Charts. Dabei ist die erzählte Geschichte düster, handelt sie doch von einem Menschen auf dem Weg in die psychiatrische Klinik wegen Schizophrenie.

Ein Jahr später feierte der Hamburger Musiker mit „Tri tra trullala (Herbergsvater)“ Erfolge - einem Song, der sich mit seinem monotonen, rollend-groovigen Rhythmus und den fast psychedelisch klingenden Gitarrensounds hervorhob und mit dem sich ständig wiederholenden Text („Ey, lasst das sein, Kinder!“) nervige Autoritäten wie einen Herbergsvater persifliert. Joachim Witt bemerkte hierzu einst: „Der Song soll penetrant wirken, denn es ist ein Spottlied auf sogenannte Autoritäten. Und die sind penetrant.“

Rückkehr in die Charts

Doch so schnell sich die Neue Deutsche Welle aufgebaut hatte, so schnell verebbte sie auch. Rückblickend war das für Joachim Witt eine logische Konsequenz: „Es heißt doch so schön: Viele Köche verderben den Brei“, sagt der Musiker der dpa weiter. Jahrelang verschwand Joachim Witt von der Bildfläche, kehrte erst 1998 mit dem Synthie-Pop-Song „Die Flut“, einem Co-Projekt mit Peter Heppner („Wolfsheim“), in die Charts zurück.

Und wenig später findet Witt für sich wieder einen neuen Weg - mit noch gröberen Sounds und Texten, minimalistischen Melodien und stampfenden Beats wird er Teil der Neuen Deutsche Härte, zu der auch Bands wie Rammstein gehören. Wieso es zu dieser Weiterentwicklung kam, erklärt der Musiker so: „Die Zeit brauchte für mich eine andere Energie. Ich habe sie damals gelebt und mich wieder in meiner Haut wohlgefühlt.“

Das Online-Musikmagazin laut.de findet, dass Witt mit seinem Schaffen nach wie vor polarisiert wie kaum ein anderer hiesiger Musiker. „Doch in seiner Rolle als Künstler zwischen den Polen 'Hosianna!' und 'Kreuzigt ihn!' fühlt sich der Hamburger nicht unwohl. Der Disput hindert ihn nicht daran, die stilistisch höchst vielfältig aufgestellte Marke Witt ein ums andere Mal neu zu erfinden“, schreiben die Musikexperten über den Hamburger.

„Fels in der Brandung“

Und so kehrte Joachim Witt ins Musikgeschäft zurück. Erst im September 2023 erschien sein aktuelles Album „Fels in der Brandung“, das es wieder in die Top Ten schaffte. Der Titel passt durchaus zu seinem Leben. „Ich habe mich bislang gut gehalten und mich erfolgreich gegen die Unwegsamkeiten des Lebens wehren können“, sagt der Hamburger. „Ich werde jetzt 75 Jahre alt und der Fels ist noch nicht unterspült.“ Für ihn selbst war übrigens seine Mutter immer der Fels in der Brandung.

Zu seinem Geburtstag gibt es nun sein aktuelles Album als Special-Edition mit fünf neuen Songs und Features von Alex Wesselsky (Eisbrecher), Chris Harms (Lord of the Lost) und Nino de Angelo. Der Song „Elektrosexuell“ mit Chris Harms kommt dabei mit elektronischer Wucht daher, ist ziemlich hart und klingt spacig. Doch auch mit 75 Jahren soll für Joachim Witt noch lange nicht Schluss sein. Sein Wunsch für die kommenden Jahre: „Ich möchte mich weiter ausprobieren, genreübergreifend, und die Freude am Leben behalten.“