Neustadt-Neunhofen. Im Jugendbuch der Schriftstellerin aus Neunhofen geht es um eine Teenagerin, die nach einer Operation ihre Stimme verliert.

„Für nichts im Leben gibt es eine Garantie“, stellt einer der Charaktere in „299 Tage“, dem neuesten Jugendbuch der Schriftstellerin Verena Zeltner aus Neunhofen, irgendwann fest. Mit Sätzen wie dem eingangs erwähnten und der Handlung an sich passt der Roman so richtig in diese Zeit. Steht doch eine Erkrankung im Mittelpunkt, die den betroffenen jungen Menschen zur Vollbremsung zwingt, ihn gewissermaßen isoliert und erst nach einem Lernprozess wieder in die Normalität entlässt.

Sanna, eine 14-Jährige, war auf dem besten Weg, die Leadsängerin der Schulband zu werden und mit ihren eigenen Kompositionen die Welt zu erobern. Bevor das losgeht, soll sie schnell noch ihre Schilddrüse operieren lassen, ein Routine-Eingriff, keine große Sache.

Tatsächlich findet sie sich als Karpfen, der nach Luft schnappt, wieder. Sie verlässt das Krankenhaus mit einer Rekurrensparese, einer Stimmbandlähmung also, und sie soll auf unbestimmte Zeit mit einer Therapeutin klarkommen, die so kalt ist wie ein Fisch.

Unverblümt beschreibt Verena Zeltner die Verzweiflung, die mit der Sprachlosigkeit einhergehen kann, und welche Hölle es ist, unter Teenagern nicht der Norm zu entsprechen. Unaufdringlich werden gesellschaftliche Themen wie Cybermobbing eingeflochten und jugendliche Perspektiven auf das Leben von Eltern ausgefächert, die ihren Partner durch Tod oder durch Fremdgehen verlieren.

Den vielschichtigen Stoff runden ein liebevolles Plädoyer für das klassische Tagebuchschreiben von Hand sowie die Botschaft ab, dass es für eine erfolgreiche Therapie mehr als nur die richtige Diagnose und gute äußere Bedingungen braucht.

Selbsterlebtes aufbereitet und in der Gegenwart angesiedelt

Verena Zeltner hat in ihrem gut 300-seitigen Band Erlebnisse verdichtet beziehungsweise in der Gegenwart angesiedelt, die dreißig Jahre zurückliegen. Am 9. November 1989, dem Tag, welcher jener des Mauerfalls werden sollte, hatte sie sich selbst einer Schilddrüsenoperation unterzogen, und es hatte nach der Diagnose Rekurrensparese wie bei ihrer Romanheldin lange 299 Tage gedauert, bis sie wieder vollständig ihrer Sprache mächtig war.

Im Gespräch mit dieser Zeitung berichtet die 68-jährige Kinder-und Jugendbuchautorin: „Am Ende meiner Behandlung, im Spätsommer 1990, hatte meine Therapeutin gemeint, dass sie viel an mir gelernt habe. Dabei sollte ich doch etwas von ihr lernen.

Das Titelbild für „299 Tage“ hat der Fotograf Alexander Krivitskiy aus Kiew beigetragen.
Das Titelbild für „299 Tage“ hat der Fotograf Alexander Krivitskiy aus Kiew beigetragen. © Marius Koity

Das war die schlimmste Zeit meines Lebens. Ich möchte aber betonen, dass es viele gut ausgebildete Logopädinnen und Logopäden gibt, die sehr einfühlsam gute Arbeit leisten.“

In der rund zweijährigen unmittelbaren Auseinandersetzung mit dem Stoff ihres neuen Werkes seien „viele Details wieder hochgekommen“, die sie seinerzeit in höchste seelische Not gestürzt hätten, bekennt die Autorin.

Die ersten „sehr positiven Reaktionen“ auf das Buch von Menschen mit ähnlichen Stimmbandlähmungserfahrungen bestärken sie, dass es wichtig sei, scheinbar Nebensächliches wie ein selten thematisiertes Leiden oder aber Alltägliches wie die Sprache zur Diskussion zu stellen.

Liedermacher Stephan Krawczyk steuert Geleitwort bei

Letztgenanntes unterstreicht der Liedermacher Stephan Krawczyk in einem Geleitwort, das er extra für „299 Tage“ zu Papier gebracht hat. Unter anderem sagt er da: „Der größte Schatz der Menschheit ist der Sprachschatz.

Den haben wir zu hüten und an die nächste Generation weiterzugeben. Anderenfalls verspielen wir den Titel ‚Krone der Schöpfung‘, denn essen, trinken, arbeiten und sich fortpflanzen kann das Tier auch.“

Die Premiere für diesen Anfang des Monats im Thami Verlag aus Neustadt-Neunhofen erschienenen Band sollte eigentlich auf der Leipziger Buchmesse gefeiert werden. Der Coronavirus machte diesen Plan zunichte – schließlich gibt es für nichts im Leben eine Garantie, wie es im Roman heißt.

Unterm Strich hat Verena Zeltner allerdings ein Mutmacherbuch (nicht nicht für junge Leute) vorgelegt. Diesem ist zu wünschen, dass es nicht erst 299 Tage warten muss, bis es ein größeres Publikum findet. Das Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kunst hat dem Stoff schon vor seiner Veröffentlichung Qualität bescheinigt und die Arbeit daran mit einem Stipendium gefördert.

In ihren gut zwanzig Jahren als Schriftstellerin hat Verena Zeltner mehr als fünfzehn Bücher, außerdem fünfzehn Hefte ihrer Fortsetzungsgeschichte „Samson und Luise“ veröffentlicht.

Aus dem Stoff ihres 1999 erschienenen Romans „Der Zaubervogel“ wurde später ein Tanzspiel entwickelt.

Große Anerkennung wurde Verena Zeltner für das mittlerweile in dritter Auflage vorliegende Jugendbuch „ICEZeit – In den Klauen des weißen Drachen Crystal“ von 2017 zuteil.

Leseproben aus fast allen ihren Werken sind unter www.verena-zeltner.de zu finden.

Auf ihrer Internetseite veröffentlicht Verena Zeltner außerdem seit Jahren monatlich eine Kurzgeschichte, die man kostenlos herunterladen kann.