Weida. Der Thüringer Liedermacher und DDR-Bürgerrechtler ist auch mit 65 noch produktiv.

17. Januar 1988, Berlin Prenzlauer Berg. Stephan Krawczyk ist gerade auf dem Weg zu den Aufmärschen zu Ehren von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, als er gegen 8 Uhr morgens nicht weit von seiner Wohnung verhaftet wird.

Unter dem Pullover trägt er ein Transparent. "Gegen Berufsverbot in der DDR" steht darauf. Seit drei Jahren darf der Liedermacher keine Konzerte mehr spielen. Nur Kirchen ermöglichen ihm halblegale Auftritte.

Aus der DDR ausgebürgert

Rund zwei Wochen später werden er und seine damalige Frau Freya Klier aus der DDR ausgebürgert. Freiwillig wären sie nicht gegangen. Aber ihnen drohen zwölf Jahre Haft.

Zudem spielt ihr Anwalt Wolfgang Schnur ein doppeltes Spiel. Er übermittelt Krawczyk, dass Freya, die inzwischen ebenfalls im Stasigefängnis Hohenschönhausen sitzt, die Haft nicht länger ertrage. Auch die breite öffentliche Solidarität mit den Inhaftierten verschweigt er.

So stimmt das Paar notgedrungen der erzwungenen Ausreise zu. Ende der Achtziger gehört der Liedermacher Stephan Krawczyk zu den bekanntesten DDR-Bürgern. Er ist eine Galionsfigur der Bürgerrechtsbewegung.

Nach der Ankunft im Westen erzählt er seine Geschichte in zahlreichen Talkshows und Zeitungen. Inzwischen ist es ruhiger geworden um den Sänger und Schriftsteller aus Weida. "Weil ich mein Denkmal nicht putze", wie er lachend am Telefon sagt.

65. Geburtstag auf Mallorca

Am heutigen Silvestertag wird Stephan Krawczyk 65 Jahre alt. Sein Jubiläum wird er coronaentsprechend im kleinsten Kreis auf Mallorca feiern, wo er gerade bei Freunden weilt. Nur seine japanische Freundin wird noch dazu stoßen.

Krawczyk fand als Sohn eines Bergmanns und einer Briefträgerin eher zufällig zur Musik. Der Bruder brachte übers Wochenende eine Gitarre mit. "Ich konnte auf Anhieb ‚Hänschen klein‘ auf der hohen E-Saite spielen und habe gedacht, ich sei begabt", erzählt er.

Also wünscht er sich damals ein eigenes Instrument und "hängt sich rein". Nach dem Abitur studiert er in Weimar Konzertgitarre, gründet das Geraer Folktrio "Liederlich" mit und macht sich 1980 als Sänger selbstständig.

Im Jahr darauf gewinnt er den Nationalen Chansonwettbewerb der DDR und geht 1984 nach Berlin. Wegen kritischer Texte und seines Engagements in der Friedensbewegung erhalten er und seine Freundin Freya Klier Berufsverbot.

Ein Buch und zwei Alben in einem Jahr

Noch immer ist Stephan Krwaczyk unglaublich produktiv. In diesem Jahr brachte er unter anderem ein Buch sowie zwei Alben heraus: In seinem Band "Augenhöhe: Vater-Sohn-Momente" hat er beispielsweise Erlebnisse als alleinerziehender Vater mit seinem Sohn Marvin aufgeschrieben - "poetisch-lyrische Geschichten", die zugleich zeigten, wie ein Kind zu seinem Weltbild komme.

Für das Album "Seepferdchen" hat der Thüringer Ringelnatz-Gedichte vertont. Auf Mallorca arbeitet er bereits an neuen Projekten: Als Auftragswerk schreibt er ein Buch über zwölf Personen, die in der Berliner Stasi-Untersuchungshaftanstalt in der Magdalenenstraße einsaßen.

Corona wie ein zweites Berufsverbot

Außerdem soll 2021 ein Album mit neuen Liedern sowie ein Lyrikband erscheinen. Und auch ein Hörbuchprojekt verfolgt der Künstler, das auf Lebenserfahrungen ihm nahestehender Menschen basiere.

Trotz all der Arbeit würde Stephan Krawczyk nur allzu gern endlich wieder auf der Bühne stehen. Allein im Dezember seien ihm 15 Konzerte weggebrochen. Es fühlt sich für ihn wie "ein zweites Berufsverbot" an, "diesmal aus hygienischen Gründen".

Veröffentlichungen 2020:

  • "Augenhöhe: Vater-Sohn- Momente", Joanmartin Literaturverlag, 86 Seiten, 13 Euro;
  • "Seepferdchen: Stephan Krawczyk singt Ringelnatz", Label Dermenschistgut/Indigo, 14,63 Euro